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Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant

Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant

Titel: Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Luftschiffs mussten bereits eine ganze Weile hier liegen, weit verstreut auf dem Gletscher, zermahlen von Eismassen, deren Bewegungen unsichtbar, dafür aber umso kraftvoller waren. Das papierartige Material der Waben war längst eins mit dem Schnee geworden. Übrig geblieben waren allein die gewölbten Gitterkonstruktionen aus Holz und Bambusrohr, die dem fischförmigen Balg als Gerippe dienten. Es gab weit mehr Streben, Bögen und Planken, als Wisperwind vermutet hatte: Hoch in der Luft sahen die Gildenschiffe federleicht aus, trotz ihrer Größe.
    Was genau dem abgestürzten Giganten widerfahren war, ließ sich auch im Näherkommen nicht erkennen. Er war in zahllose Teile zerbrochen. Das größte bildete inmitten des Trümmerfeldes eine Gitterkuppel, mindestens fünfzig mal fünfzig Meter breit und zwanzig Schritt hoch.
    Kangan deutete darauf, als er Wisperwinds Blick bemerkte. »Irgendwo dadrinnen gibt es vermutlich noch Reste der Mannschaftsquartiere, falls die Schneestürme etwas davon übrig gelassen haben.«
    »Wie lange, glaubst du, liegt das Wrack schon hier?«
    »Schwer zu sagen. Es ist keines von unseren. Theoretisch könnte der Absturz ein paar Jahre her sein.«
    »Du meinst, das ist kein chinesisches Gildenschiff?«
    Er schüttelte den Kopf. »Es gibt Abweichungen in der Bauweise. Siehst du die breiten Streben dort drüben? Sie sind doppelt verstärkt, um größeren Belastungen standzuhalten. Das ist ungewöhnlich. Von uns hat das ganz sicher keiner gebaut.«
    Sie folgte dem Blick seiner Eulenaugen, erkannte aber nicht, welche Streben er meinte. Jetzt bedauerte sie, dass sie die Tage an Bord nicht besser genutzt hatte, um mehr über die Konstruktionsweise der Gildenschiffe in Erfahrung zu bringen.
    Zwölf Einmannluftschlitten waren auf dem Eis gelandet. Die Männer und Frauen des Erkundungstrupps hatten sich bereits aus ihren Gurten befreit und stapften zu der Stelle herüber, an der die Gondel mit ihrem Hauptmann und Wisperwind den Boden berühren würde. Auf Kangans Geheiß hin hatten die Soldaten auf die Halbhelme verzichtet, die sonst ihre rechte Gesichtshälfte bedeckten. Sie alle trugen Pelzkleidung mit Kapuzen. Die kleinen Armbrüste, die sie sonst an ihre Unterarme schnallten, hatten sie gegen doppelt so große Exemplare eingetauscht. Die Waffen mussten mit beiden Händen gehalten und abgefeuert werden; wie ihre kleineren Gegenstücke verschossen sie keine Bolzen, sondern runde, gezahnte Metallscheiben.
    »Festhalten!«, rief der Hauptmann.
    Mit einem mörderischen Ruck prallte die Korbgondel auf das steinharte Eis. Das einzelne Tau, das sie getragen hatte, sackte einen Moment lang durch, wurde aber sofort wieder von oben gestrafft. Die Schlaufe peitschte an Wisperwinds Gesicht vorbei und hätte sie beinahe mitgerissen.
    Jemand lachte verhalten - einer der Soldaten. Wisperwind schnellte im Federflug aus der Gondel, fegte über die Köpfe des Trupps hinweg und landete dahinter auf knirschendem Eis. Für zwei, drei Sekunden verloren die Männer und Frauen sie aus dem Blick. Wisperwind ging es nicht darum, sie zu beeindrucken; sie wollte sie vielmehr auf die Probe stellen. Und ihre Sorge war nicht unbegründet. Die Leichtigkeit, mit der Kangans Leute sich von dem plötzlichen Sprung hatten irreführen lassen - und sei es auch nur für einen Moment beunruhigte sie.
    Der Hauptmann trat vor die Soldaten und schärfte ihnen ein, dicht beisammenzubleiben. Ehe sie das Wrack nicht einer Untersuchung aus der Nähe unterzogen hatten, sollten sie einander nicht aus den Augen lassen. »Jeder trägt die Verantwortung für den anderen. Eure Sicherheit ist wichtiger als irgendwelche Entdeckungen. Verstanden?«
    Die Soldaten knurrten knappe Bestätigungen.
    Der Trupp machte sich auf den Weg. Wisperwind blieb am Rand des Pulks, damit die anderen nicht auf die Idee kamen, sie wolle sich unter sie mischen oder gar eine von ihnen sein. Sie war eine Kriegerin vom Clan der Stillen Wipfel. Sie hatte die Lehre des Tao gemeistert. Sie hätte sie alle in Sekundenschnelle zur Strecke bringen können und sie glaubte, dass Kangan das sehr wohl wusste. Trotzdem vertraute er ihr. Das stimmte sie nachdenklich und brachte sie gegen ihren Willen dazu, dem Hauptmann immer wieder flüchtige Blicke zuzuwerfen.
    Nach ein paar Schritten gab sie sich einen Ruck und holte auf, bis sie gemeinsam an der Spitze des Trupps gingen. Seine Augen verengten sich kaum merklich, als sie Jadestachel aus der Scheide zog. Die blendende Helligkeit der

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