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Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant

Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant

Titel: Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Wunder, angesichts der feindlichen Übermacht dort draußen -, aber nicht einmal Feiqing hatte Zweifel an seinem wahren Beweggrund: Xu wollte verhindern, dass die Russen das Schiff auf dem Weg zur Brücke von innen ausspionierten.
    Auch der chinesische Gildenmeister hatte Wachen mitgebracht, ein Dutzend Soldaten aus Kangans Garde, eindrucksvolle Gestalten mit Halbhelmen und Schwertlanzen. Dass die festgeschnallten, handgroßen Armbrüste an ihren Unterarmen gespannt waren, ließ wenig Zweifel daran, wie wenig Hoffnung Xu in das Gespräch mit den Geheimen Händlern des Zarenreichs setzte.
    Feiqing verhielt sich mucksmäuschenstill. Er versuchte seinen dicken Bauch einzuziehen; aber wie tief er auch einatmete, es half alles nichts. Zum Glück hatten die Männer dort drüben Besseres zu tun, als Ausschau nach heimlichen Lauschern zu halten.
    Nach all den Strapazen und Abenteuern hatte sein kirschroter Rattendrachenleib die Farbe moderigen Schlamms angenommen. Genauso roch er wohl auch. Er hatte wenig Zweifel, was geschehen würde, falls man ihn erwischte. Die Geheimen Händler hatten ihn schon einmal von Bord geworfen, und während der vergangenen Tage war es vor allem Wisperwind zu verdanken gewesen, dass sie es nicht erneut versucht hatten. Doch die Schwertmeisterin war nicht hier, sondern unten am Erdboden, und da Xu ihm ohnehin nicht über den Weg traute, erschien Feiqing die gähnende Öffnung auf der anderen Seite der Halle gleich noch ein wenig größer und gefährlicher.
    Die beiden Gildenmeister und ihre Leibwächter standen sich im hinteren Teil des großen Raumes gegenüber, keine zehn Meter vom Abgrund entfernt. Es gab dort keine Wand, nur ein rechteckiges Loch, zwanzig Meter breit und zehn Meter hoch, durch das die Schlitten ein- und ausflogen; bei schlechtem Wetter konnten vom oberen Rand Ölplanen ausgerollt und rundum festgezurrt werden. Jenseits dieser Öffnung lagen dreihundert Meter Leere und das frostige Panorama des Gletschers.
    Begrüßungen wurden ausgetauscht, in den Sprachen des jeweils anderen. Wie gut Xu Russisch sprach, vermochte Feiqing nicht einzuschätzen, doch das Chinesisch seines Kontrahenten war makellos. Die feindliche Flotte dort draußen, so viel hatte Feiqing auf den Gängen der Abendstern erfahren, missachtete seit jeher die Grenzen der beiden Reiche und ignorierte sämtliche Abkommen zwischen den Geheimen Händlergilden diesseits und jenseits der Himmelsberge. Man kannte sich und wusste, was man voneinander zu erwarten hatte. Wäre die chinesische Händlerflotte einem einzelnen russischen Gildenschiff begegnet, hätte sie es kurzerhand vom Himmel geschossen. Xu musste ahnen, dass er umgekehrt keine freundlichere Geste zu erwarten hatte.
    Zum ersten Mal kam Feiqing der Gedanke, dass es unten am Boden womöglich sicherer war als hier oben: gemütlich durch den Schnee stapfen, hier und da ein Trümmerteil umdrehen, an einem warmen Lagerfeuer sitzen und die Vorräte verspachteln.
    Stattdessen stand er nun hier, leidlich verborgen im Schatten, während das Herz ihm vor Angst aus dem Hals schlug. Sogar sein Kehlkopf hüpfte bibbernd auf und ab.
    Nach dem Austausch falscher Höflichkeiten und allerlei Lügen darüber, wie erfreulich es doch sei, den anderen zu sehen, kamen die verfeindeten Gildenmeister zur Sache.
    »Du weißt, dass wir nicht verantwortlich sind für dieses Wrack«, sagte Xu. »Unsere Kundschafter haben es beim Flug über die Berge entdeckt und -«
    »Und ihr wolltet euch freundlichst vergewissern, ob ihr noch ein paar von uns retten könnt, nicht wahr ?« Der russische Händler war beinahe so groß wie seine Gardisten. Sein Fellmantel wurde über seinem mächtigen Bauch von einem Gürtel mit Goldbesatz zusammengehalten. Er hatte einen dunklen Vollbart und eine tiefe, keineswegs unangenehme Stimme, obgleich seine schwarzen Eulenaugen noch finsterer und bedrohlicher wirkten als die der hiesigen Händler. Sein Name war Mukhtar Khan, so viel hatte Feiqing der Begrüßung entnehmen können.
    »Wir hatten vor, das Wrack zu plündern«, entgegnete Xu kühl. »So wie ihr es getan hättet, wäre das dort unten eines unserer Schiffe.«
    Der Russe lachte. »Zweifellos, zweifellos. Doch was auch immer hätte sein können, nun, das spielt keine Rolle, fürchte ich. Es ist nun einmal unser Schiff, und eure Männer stöbern gerade in den Trümmern. Zudem seid ihr allein und wir eine Flotte von vierzehn Schiffen.« Er ließ die Zahl genüsslich nachhallen, ehe er hinzusetzte:

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