Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
»Nebenbei bemerkt: Euer Trupp wird dort unten nichts als den Tod finden. Glaub mir, meine Leute haben es am eigenen Leibe erfahren.«
Xu verzog keine Miene. »Womöglich gehen meine Männer klüger zu Werke als die deinen.«
Mukhtar Khan lächelte liebenswürdig. »Das wird ihnen wenig nützen, wenn die brennende Abendstern auf ihre Köpfe stürzt.«
Feiqing presste beide Hände auf seinen Bauch, um ihn tiefer in den Schatten zu drücken. Als die Luft aus dem vermaledeiten Kostüm entwich, klang es, als hätte er sich auf einen Frosch gesetzt.
Einer von Xus Gardisten sah sich um.
Feiqing wünschte sich, er wäre tot. Vielleicht nicht ganz tot. Aber tot genug, um nicht hier zu sein.
Der Gardist wandte sich wieder ab, als die russischen Krieger mit einem Ruck Haltung annahmen. Ihr Anführer hatte eine Hand erhoben, doch die Geste galt gar nicht den Wächtern, sondern seinem chinesischen Gegenüber. »Beenden wir das. Wir könnten uns noch stundenlang die eine oder andere Beleidigung an den Kopf werfen, aber ich vermute, in Wahrheit liegt uns doch beiden an etwas ganz anderem. Wir sind Händler, du und ich. Wir wollen Geschäfte machen. Salz scheffeln, vielleicht auch ein paar andere Dinge.« Er seufzte leise. »Nichts von alldem ist in dem Wrack zu finden. Wohl aber bei denen, die es zum Absturz gebracht haben.«
»Und wer ist verantwortlich dafür?«
»Die Drachen«, antwortete Mukhtar Khan. »Sie haben sich in diesen Bergen eingenistet und töten alles, was ihnen in die Klauen gerät.«
Feiqing kräuselte vor Empörung die Lefzen. Chinas Drachen waren heilig. Sie waren friedliebende Geschöpfe. Gerade jetzt setzten sie alles daran, um die Welt vor dem Aether zu retten. Woher nahm dieser fettbäuchige, verlogene Schleimsack die Unverfrorenheit, so etwas zu behaupten?
»Deine Schiffe haben die Drachen schon früher gejagt, Mukhtar Khan.«
»Ebenso wie die deinen.«
»Das ist lange her, viele Generationen. Wir haben aus den Fehlern unserer Ahnen gelernt. Du aber wirst keine Nachfahren haben, die aus deinen Fehlern lernen können, weil die Drachen dich vernichten werden.«
Der russische Gildenmeister blieb unbeeindruckt. »Das wird sich zeigen. Drachenhirn bringt auf den Märkten in Moskau und Samarkand Preise, von denen wir alle nur träumen können. Du und deine Leute, ihr könntet euch einen gerechten Anteil verdienen. Ich bin kein Dummkopf und ich weiß so gut wie du, dass ein Krieg mit den Drachen kein Kinderspiel ist. Monatelang habe ich verhandelt und geschmeichelt und gelogen und erpresst, um eine Flotte von vierzehn Schiffen auf die Beine zu stellen. Du könntest dich uns anschließen, du und deine Abendstern. Von mir aus auch jedes andere chinesische Gildenschiff. Fünfzehn Schiffe sind stärker als vierzehn, und erst recht zwanzig oder fünfundzwanzig ...« Er ließ den Rest unausgesprochen und Feiqing registrierte mit Entsetzen, dass Xu tatsächlich ins Grübeln geriet.
»Drachenhirn, sagst du?«
»Und ihre Zähne. Mehl aus ihren Knochen. Ihre verdammten goldenen Augen. Selbst für jede einzelne Schuppe wird man uns ein Vermögen zahlen!«
»Hmm«, machte Xu nachdenklich. »Soso.«
Feiqing zitterte vor Entrüstung. Mit einer Hand hielt er die Spitze seines Drachenschwanzes fest, damit sie nicht auf und ab schlug. Am liebsten wäre er aus seinem Versteck gesprungen und hätte diesen Hundesohn am Kragen gepackt. Sie waren hergekommen, um den Drachen beizustehen! Und nun erwog Xu allen Ernstes, ihnen in den Rücken zu fallen? Schon bald würde es kein Moskau und kein Samarkand mehr geben, falls der Aether nicht aufgehalten wurde. Hatte Xu das vergessen?
Und noch etwas wurde ihm in diesem Moment bewusst. Er und Wisperwind hatten sich manches Mal die Köpfe darüber zerbrochen, welche Rolle die Geheimen Händler eigentlich im Krieg gegen den Aether spielen sollten. Niemand schien bislang eine klare Antwort darauf gefunden zu haben. Maginogs Riesen waren uralt und mächtig, womöglich sogar magisch begabt, und ihnen war zuzutrauen, dass sie tatsächlich helfen konnten, Pangus Wiederauferstehung zu verhindern - schließlich war er ihr Vorfahr, der Vater aller Riesen. Aber die Geheimen Händler? Der Aether besaß keine eigene Armee, die es zu schlagen galt. Warum also hatte der Riesenkönig sie aufgefordert die Himmelsberge anzufliegen? Hatte er geahnt, dass es jemanden gab, der auf der Seite des Aethers kämpfen würde? Jemand, der vielleicht gar nicht wusste, wem er damit den Rücken stärkte,
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