Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
sondern glaubte, nur im eigenen Interesse zu handeln? Jemand wie Mukhtar Khan und seine Flotte von Drachenjägern?
»Denk nicht zu lange über mein Angebot nach«, riet der russische Gildenmeister seinem Gegenüber. »Das Wrack dort unten ist von Drachen zerstört worden, darauf gebe ich dir mein Wort. Eine Handvoll Schlitten ist vor dem Absturz entkommen und zwei von ihnen haben es bis zu mir geschafft. Wir haben Augenzeugen für das, was geschehen ist. Und wir haben einen guten Grund, dafür Rache zu nehmen. Wenn dabei noch ein paar Säcke Salz abfallen«, sagte er mit liebenswürdigem Lächeln, »ist das umso besser. Dann sind unsere Brüder dort unten nicht umsonst gestorben.«
Heuchler!, dachte Feiqing. Seine Zähne knirschten vor Wut, sein Drachenkamm stand aufrecht.
Immerhin war Xu noch nicht zu benebelt von der Aussicht auf Reichtümer, um die naheliegende Frage zu stellen: »Wer hat den Angriff eröffnet - die Drachen oder euer Schiff?«
Mukhtar Khan warf die Arme empor. »Was spielt das für eine Rolle? Hunderte Tote sprechen eine deutliche Sprache. Und wem wäre schon gedient, wenn noch ein paar Hundert weitere dazu kämen?«
Xu war zu klug, um sich auf ein weiteres Wortgefecht einzulassen. Feiqing konnte nicht ernsthaft glauben, dass der Gildenmeister die Aussicht auf reichen Gewinn tatsächlich über die Gefahr stellte, die vom Aether ausging. Aber es war offensichtlich, dass Xu angesichts der russischen Übermacht keine andere Wahl hatte.
»Einverstanden«, sagte er nach einer Weile. »Wir werden uns euch anschließen.«
Mukhtar Khan stieß ein dröhnendes Lachen aus. »Eine kluge Entscheidung, mein Freund. Erlaube mir, dass ich ein paar meiner Männer hier an Bord lasse, um ganz sicherzugehen, dass unser Abkommen eingehalten wird.«
»Du traust mir nicht?«
Mukhtar Khan strahlte. »Wüsste ich nicht, dass du ein gutes Geschäft ebenso zu schätzen weißt wie ich, hätte ich die Abendstern schon vom Himmel holen lassen, als wir euch über die Berge kommen sahen.«
Xu ergriff die Rechte, die der Russe ihm entgegenstreckte. »Noch etwas«, sagte er. »Meine Leute unten im Wrack ... Wir müssen hier warten, bis sie zurückkehren.«
Mukhtar Khans Eulenbrauen rückten zusammen. »Dafür ist keine Zeit, fürchte ich. Die Abendstern wird an meiner Seite an der Spitze der Flotte fliegen. Verzeih mir meine Vorsicht« - und nun lag blanker Hohn in seiner Stimme - »aber mir ist nicht wohl dabei, dich in meinem Rücken zu wissen.«
»Dann warte gemeinsam mit uns auf ihre Rückkehr. Ich sende einen Boten aus, der sie zurückholt.«
Mukhtar Khan schüttelte den Kopf. »Tut mir leid.«
Xu atmete so scharf aus, dass selbst Feiqing in seinem Versteck es hörte. »Du kannst nicht verlangen, dass ich meine Männer -«
Die Stimme des Russen war eisig wie der Wind, der aus dem Abgrund heraufwehte. »Sie sind Plünderer, Xu. Das waren deine eigenen Worte. Ich kann nicht zulassen, dass sie ungestraft bleiben, nicht vor den Augen meiner besten Männer. Was ist dir lieber: dass einige wenige sterben oder ihr alle?«
Damit drehte er sich um und trat durch den Pulk seiner Leibgardisten zurück an seinen Luftschlitten. Die Wächterkette schloss sich hinter ihm, bis er mit wenigen schnellen Griffen die Gurte angelegt hatte und bereit war zum Aufbruch. Zwei weitere Männer schlossen sich ihm an. Die übrigen vier blieben zurück und schoben Mukhtar Khan und seine beiden Begleiter über die Kante ins Nichts.
Feiqing beobachtete, wie Xu den drei Luftschlitten nachblickte. Selbst wenn der Gildenmeister sofort einen Boten aussandte, würde es zu lange dauern, die anderen im Irrgarten der Wrackteile aufzuspüren. Zudem war ein Aufstieg vom Boden keine einfache Angelegenheit; die Schlitten brauchten dafür Zeit, die Mukhtar Khan ihnen nicht gewährte. Vierzehn Schiffe gegen eines. Die Entscheidung war Xu bereits abgenommen worden, als die russische Flotte über den Gipfeln aufgetaucht war.
Feiqing stand noch im Schatten, als der Gildenmeister mit seiner Garde und den vier russischen Kriegern die Halle verließ. Erst dann trat er ins Licht und näherte sich zitternd dem Abgrund.
Feiqing fliegt
Panisches Gezeter wehte über den Gletscher.
Wisperwind blickte alarmiert von den Trümmern am Boden nach oben.
Ein Luftschlitten trudelte von der Abendstern in einer kläglichen Spirale Richtung Erdboden. Seine Schwingen flatterten ungelenk wie ein Huhn, das vom Heuschober fällt. Im ersten Moment hätte man meinen können,
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