Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
bildeten über ihnen ein Dach, eigentlich sogar mehrere, denn die Wrackteile waren in drei oder vier Lagen aufeinandergeprasselt. Das Loch, das Fei-qing hineingerissen hatte, befand sich am Rand des Hohlraums, genau über den Schneewällen, die sich rundum an den Trümmerwänden abgelagert hatten. Tausende Eiszapfen hingen an den Streben; einige waren durch die Erschütterung des Aufpralls abgebrochen und hatten Löcher in den Schnee gestanzt.
Das Innere hatte an der breitesten Stelle einen Durchmesser von mehr als zehn Schritt. Ihr erster Eindruck, dass die Trümmerlandschaft des abgestürzten Luftschiffs einer Stadt aus Käfigen ähnelte, kam ihr wieder in den Sinn. Wahrscheinlich war das auch den Juru aufgefallen, die sich hierher zurückgezogen hatten. Eigentlich lebten die Felsenwesen in Höhlen und Spalten, stets aber im Schatten eines Berges. Dass sie hier draußen auf dem Gletscher Unterschlupf gesucht hatten, war ungewöhnlich - und musste bedeuten, dass sie aus ihren angestammten Behausungen vertrieben worden waren.
Sie wandte sich wieder Feiqing zu. »Was ist an Bord geschehen? Wir haben die Luftschlitten der anderen Schiffe gesehen, als sie hinüber zur Abendstern geflogen sind.«
Er nickte aufgeregt und erzählte ihr stammelnd von dem Gespräch, das er mit angehört hatte.
»Und da dachtest du«, fragte sie schließlich, »hier unten wäre es sicherer als an Bord?«
Seine Augen blitzten. »Xu will gemeinsam mit diesem Mukhtar Khan die Drachen angreifen. Bitte schön, sollen sie doch - aber ohne mich. Ich werde ganz bestimmt nicht tatenlos zusehen, wie sie den Drachen in den Rücken fallen. Und ausgerechnet jetzt, mit dem Aether und all dem ...« Vor Erregung geriet er ins Stottern und brach ab.
Sie erkannte, dass sie ihm Unrecht getan hatte. Es gehörte eine Menge Mut dazu, sein Leben aufs Spiel zu setzen, nur um nicht Teil eines Angriffs auf die Drachen zu sein.
»Außerdem wollte ich euch warnen«, setzte er hinzu, nachdem sich seine Stimme wieder beruhigt hatte. Er verzog beleidigt das Gesicht. »Gern geschehen.«
Lächelnd trat sie vor und tätschelte seinen Drachenkamm. »Gut gemacht. Und vielen Dank. Das meine ich ernst.«
Er knurrte etwas und wich geschmeichelt ihrem Blick aus.
Als sie wieder aufsah, entdeckte sie durch das Raster der Gittertrümmer, dass die Abendstern nach Süden beidrehte und Fahrt aufnahm. Von Norden her holte eines der russischen Schiffe zu ihr auf, gefolgt von weiteren, die sich ihnen anschlossen.
Xu hatte keine andere Wahl gehabt, als den Drohungen Mukhtar Khans nachzugeben. Trotzdem verfluchte sie ihn von ganzem Herzen. Seine Leute hier unten zurückzulassen, war schlimm genug - dazu noch die eigene Haut zu retten, indem er die Zukunft der ganzen Welt aufs Spiel setzte, war unverzeihlich.
Andererseits - noch hatte die Abendstern die Drachen nicht angegriffen. Vielleicht würde Xu einen Ausweg finden.
Wunschdenken, schalt sie sich. Konnte es wirklich bloßer Zufall sein, dass Mukhtar Khans Flotte ausgerechnet jetzt aufgetaucht war? Oder besaß der Aether eine Möglichkeit, Menschen seinen Willen aufzuzwingen?
»Wisperwind!«, zischte Feiqing.
Sie wirbelte herum und sah, dass sich jemand durch die Trümmer zu ihnen vorarbeitete. Nur wenige Herzschläge später erkannte sie inmitten der berstenden Streben eine menschliche Gestalt.
»Schön habt ihr's hier«, murmelte Kangan, als sie ihm half, das letzte Trümmer stück aus dem Weg zu räumen. Sie erschrak, als sie das gefrorene Jurublut überall an seinem Körper sah, und jetzt erst wurde ihr bewusst, dass sie einen ebenso scheußlichen Anblick bot.
Kangan kletterte in den Hohlraum, sah Feiqing im Schnee sitzen und verzog das Gesicht.
»Ganz meinerseits«, knurrte der Rattendrache und mühte sich auf die Beine.
»Die Flotte zieht weiter«, sagte der Hauptmann. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Xu uns einfach zurücklässt.«
»Natürlich nicht«, maulte Feiqing. »Sicher fliegt er nur eine Ehrenrunde über den Gletscher. Aus ästhetischen Gründen.«
Kangan wollte ihn anfahren, aber Wisperwind brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. »Wir müssen von hier verschwinden. Spätestens wenn die Schiffe vorübergezogen sind, werden die Juru aus ihren Löchern kriechen.«
Feiqing drängte sich an Kangan vorbei zum Durchbruch ins Freie. »Gute Idee.«
Während sich der Rattendrache ächzend durch die enge Öffnung quetschte, erzählte Wisperwind in wenigen Worten, was sie erfahren hatte.
»Ich kann
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