Das Wolkenvolk 03 - Drache und Diamant
erwecken. Und nur darauf kam es ihm an. Er warf die Juru achtlos und zu Tausenden in diese Schlacht, weil ihr Sieg oder ihre Niederlage keine Bedeutung für ihn hatte; solange sie die Drachen nur vom Wesentlichen abhielten - Pangus Herz vor seinem Zugriff zu bewahren ging sein Plan auf.
Nugua stand breitbeinig auf Yaozis Rücken. Sie hatte die Lanze vor sich aufgepflanzt, damit sie ihr besseren Halt verlieh; das stumpfe Ende war zwischen den Drachenschuppen verkeilt. Ihre Beine bebten und nicht einmal der Lärm der Schlacht vermochte den Herzschlag in ihren Ohren zu übertönen.
In dunklen Wogen quoll das Heer der Juru von außen gegen den Drachenwall. Während die vorderen zwischen den Giganten zerquetscht wurden, schwappten schon die nächsten über sie hinweg, eine nicht enden wollende Flut aus peitschenden Schädeltentakeln und rasiermesseschar-fen Hornstacheln. Der Aether musste den schlichten Verstand der Felsenwesen ausgelöscht haben, um sie in diese selbstzerstörerische Raserei zu treiben. Juru waren, genau wie die Raunen draußen in den Wäldern des Reiches, seit jeher Todfeinde der Drachen. Doch sie hätten diesen Kampf nicht um den Preis ihrer eigenen Vernichtung gesucht. Der Aether aber hatte sie so vollständig unter seine Kontrolle gebracht, dass es für sie keine Rolle mehr spielte, ob sie am Ende dieses Tages noch lebten oder zermalmt auf dem Schlachtfeld zurückblieben.
Starr vor Grauen hatte Nugua Mühe, den Blick von dem scheußlichen Schauspiel am Grotteneingang abzuwenden. Sie musste sich zwingen, stattdessen wieder an dem gleißenden Diamantherz hinaufzuschauen. Der Drachen-schwarm, der dort kreiste, war größer geworden und das Licht, das Pangus Herz verbreitete, noch heller. Schon fiel es schwer, länger als ein paar Sekunden in seine kristallene Glut zu blicken, während die Umrisse der Drachen davor kaum noch zu erkennen waren; sie schienen zu schrumpfen und inmitten des Gleißens zu verglühen. Nur eine Täuschung, ein Trugbild, weil die Helligkeit ihre Silhouetten überlagerte - und doch für einen Moment erschreckend genug, um Nuguas Atem stocken zu lassen.
Erst nach einer Weile erkannte sie, was ihr am Anblick der kreisenden Drachen merkwürdig erschien: Drachen konnten eigentlich nicht in gerader Linie fliegen, weil sie sich durch die Lüfte schlängelten, in einem konfusen Auf und Ab, das es seit jeher unmöglich machte, auf einem von ihnen zu reiten, sobald er sich vom Boden löste. Der blau geschuppte Zugolu und die anderen aber, die ihre Runden um das Diamantherz zogen, taten dies auf einer stabilen Kreisbahn.
Obwohl sie spürte, dass Yaozi in Konzentration versunken war und Gedankenbefehle in alle Richtungen aussandte, musste sie ihn danach fragen.
»Sie fliegen in Trance«, gab er zur Antwort. »Nicht sie selbst halten sich in der Luft, sondern ihre Magie tut das für sie. Dort oben sind sie sicher vor den Juru und können versuchen den Schutzschild aufrechtzuerhalten.
Aber das erfordert einen großen Aufwand an Kraft und Aufmerksamkeit und es verkürzt die Zeit, die uns bleibt.«
Sie war nicht sicher, ob sie das wirklich verstand. Doch dann sah sie zu ihrem Schrecken, wie der erste Drache ins Trudeln geriet, aus seiner kreisenden Flugbahn ausbrach und davongeschleudert wurde. Leblos krachte er gegen die Wand der Grotte, prallte ab und stürzte verdreht zu Boden. Dort blieb er liegen und bewegte sich nicht mehr.
»Sie werden alle sterben«, sagte Yaozi und zum ersten Mal stockte ihm die Stimme. »Was Zugolu da versucht, ist mutig. Und vollkommen aussichtslos.«
Nugua hatte einen solchen Kloß im Hals, dass sie kein Wort mehr herausbrachte. Beim Anblick der sterbenden Kolosse tauchten die Bilder des Drachenfriedhofs aus ihrer Erinnerung auf. Voller Trauer dachte sie, dass jene, die heute starben, keine Gelegenheit mehr haben würden, dorthin zu ziehen, um ihren Frieden zwischen den Geistern ihrer Ahnen zu finden. Nichts von alldem hier durfte geschehen, es war barbarisch und gegen die Natur aller, die an dieser Schlacht beteiligt waren - das galt auch für die Juru, die willenlos in ihr Verderben strömten -, doch nichts machte für Nugua das Grauen der Ereignisse fassbarer als der Gegensatz zwischen der ehrwürdigen Abgeschiedenheit des Drachenfriedhofs und dem Massaker in dieser Grotte.
Sie sank auf die Knie, hielt die Lanze nur noch mit einer Hand und vergrub das Gesicht in der linken Armbeuge. Sie weinte jetzt hemmungslos, schluchzte wie ein Kind und bekam bald
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