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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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wieder verschloß und wegstellte.
    »Davon wurde dir schwindlig?« erkundigte sie sich. Anelia nickte, konnte Marelie aber kaum hören, da die Stimme vor Freude laut juchzte und jubilierte. Er – denn es handelte sich eindeutig um eine junge männliche Stimme – jubelte: »Ich bin nicht mehr allein!«
    »Ich würde dich gern überprüfen«, sagte Marelie. Anelia schaute sie entgeistert an. »Vielleicht besitzt du ja doch eine Spur Laran.« Als die Bewahrerin Anelias Handgelenk berühren wollte, schreckte das Dienstmädchen zurück und floh aus dem Zimmer. Der alte Aberglaube und die Angst vor Laran war bei der Dienerschaft noch immer weit verbreitet.
    Um Marelie zu entkommen und in Ruhe ihre Gedanken ordnen zu können, verkroch sich Anelia in ihrem Lieblingsversteck, dem alten Gemüsekeller. »Wer bist du?« flüsterte sie.
    »Vardin. Ich heiße Vardin«, erklärte die Stimme mit einem Freudenjauchzer. »Ich habe mich wohl etwas gehen lassen.« Sein Lachen wirkte ansteckend, so daß auch Anelia darin einstimmte. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie wunderbar es ist nach so langer Zeit endlich wieder mit jemandem zu reden! Wenn ich dich damit zu sehr überfallen sollte, mußt du es mir bitte sagen.«
    »Und wie mache ich das?« fragte sie laut und belustigt.
    »Du mußt es nur denken. Du brauchst es nicht laut auszusprechen. Ich kann dann schon in dir lesen.«
    »Dann hast du also Laran. Und du bist in mir drinnen.«
    »Nein, das bin ich nicht. Ich bin in der Oberwelt. Aber das andere stimmt, ich besitze Laran, auch wenn ich in keinem Turm ausgebildet wurde.« Sein letzter Gedanke strahlte eine heftige Abneigung aus. »Und du kannst mich verstehen, weil auch du Laran hast.«
    »Das hat mir Marelie auch gerade gesagt«, erwiderte Anelia überrascht. »Aber nicht sehr viel.«
    »Für uns beide reicht’s schon«, versicherte Vardin ihr.
    »Dann hat Lady Marelie dich aber auch hören können. Sie ist eine Bewahrerin, oder wird es jedenfalls bald sein, die Ärmste.« Vielleicht sollte sie Marelie alles über Vardin erzählen.
    »Nur das nicht!« erklärte Vardin mit Nachdruck. »Erzähl IHR nichts! Ich rede nicht mit Bewahrern!« Die Verbitterung in seiner Stimme überwältigte Anelia. »Mit dir kann ich reden, weil ich dir vertraue. Aber IHR kann ich nicht vertrauen.« Anelia war zwar verwirrt, fühlte sich aber gleichzeitig geschmeichelt.
    »Erzähl mir mehr von dir!« forderte Vardin sie auf. »Wie du lebst, was du machst, was in der Welt so vor sich geht, wer regiert. Mir ist, als ob ich eine Ewigkeit eingesperrt gewesen sei.« Sein Drängen klang so mitleiderregend, daß Anelias Angst vor seinem Laran verflog. Ihre nüchterne Lebensgeschichte war schnell zusammengefaßt: Sie war als fünftes von acht Kindern auf einer ärmlichen Farm groß geworden und konnte sich vor allem daran erinnern, daß es nie genug zu essen gab. Wäre Lady Carissa nicht gewesen, hätte Anelia wahrscheinlich das gleiche erbärmliche Schicksal ihrer Mutter teilen müssen. Aber so lebte und arbeitete sie jetzt in einem großen Gutshaus und saß damit einigermaßen im Trockenen.
    »Heute abend, wenn du schlafen gehst, werde ich dir von mir erzählen«, versprach Vardin. »Meine Geschichte ist wesentlich verzwickter.« Anelia glaubte, ein flüchtiges Gefühl des Widerwillens oder sogar der Scham von ihm zu empfangen.
    Inzwischen mußte sie sich damit begnügen, seine ständigen Fragen zu beantworten. Er wollte alles mögliche wissen, angefangen von den Verhältnissen der Familie, der Domänen und der Türme bis hin zum Zeitalter des Chaos, worüber sie natürlich nur sehr wenig wußte. Woher stammte er, daß er einige Bräuche kannte, von denen sie noch nie etwas gehört hatte, und wiederum andere nicht, die ihr vertraut waren? Auch wenn sie seine vielen Fragen nur in Gedanken beantworten mußte, war sie damit derart beschäftigt, daß sie sich beim Auftragen des Abendessens äußerst ungeschickt und tolpatschig anstellte. Von Lady Carissa erntete sie daraufhin mehr als einen tadelnden Blick.
    Als Anelia spät am Abend das Licht löschte, begann er endlich zu erzählen. »Mein Name ist Vardin Leynier, und ich wurde zusammen mit vier Brüdern und einer Schwester auf diesem Gut großgezogen. Sie fanden alle eine Stellung in den Türmen, nur ich nicht. Als ich noch ganz klein war, machte sich mein Bruder Armand immer einen Spaß daraus, mir mit seinem Laran weh zu tun, und meine anderen Geschwister halfen ihm dabei noch. Wahrscheinlich tat er es

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