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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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zuvor, schätzt es der Kunde nur um so mehr.«
    Meister Therrold wurde sehr nachdenklich. »Schickt ihn zu mir. Ich möchte ihn heute abend sprechen.«
     
    Eryn erschien erwartungsvoll vor dem Meister. Vielleicht würden sie jetzt sein Talent anerkennen und ihm den Rang verleihen, den er so sehr verdiente.
    Meister Therrold begrüßte ihn mit einem Lächeln. »Nun, Geselle, von dir und deiner Arbeit hört man ja die erstaunlichsten Dinge. Es heißt, du hättest dich recht beliebt gemacht.«
    »Oh ja, Meister. Mit dem Stand auf dem Marktplatz hattet Ihr völlig recht. Vielleicht habe ich schon bis zum Mittsommerfest für einen Laden genug zusammen. Es läuft jedenfalls besser als ich zu hoffen wagte.«
    »Auch davon habe ich gehört. Und die Kundschaft scheint mit deiner Arbeit hoch zufrieden zu sein. Stimmt das?«
    Eryn strahlte, als er das bestätigen konnte. Meister Therrold fuhr fort. »Man hat mir berichtet, daß deine Portraits recht – nun, sagen wir mal – interessant seien. Ich habe sogar gehört, daß sie sehr beliebt seien, und das, obwohl sie nicht immer lebensecht ausfallen. Jedenfalls scheinst du nie unzufriedene Kunden zu haben. Wie kannst du mir das erklären?«
    Eryn war verwirrt. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Euch richtig verstehe. Ich halte meine Portraits durchaus für lebensecht. Und meine Kunden meinen es auch. Eigentlich ohne Ausnahme.«
    »Sagen das nur deine Modelle, oder auch andere Zuschauer?«
    »Ich kann Euch nicht ganz folgen.«
    »Findest du es nicht auch ziemlich ungewöhnlich, daß deine Portraits den Kunden immer gefallen, obwohl sie nicht immer ein genaues Abbild der Person wiedergeben? Ich werde dir jetzt eine ganz direkte Frage stellen, und wenn du sie ehrlich beantwortest, werde ich dafür sorgen, daß du dafür nicht bestraft werden wirst, sofern du versprichst, es nie wieder zu tun. Also, Eryn, setzt du Laran ein, damit deinen Kunden ihre Portraits gefallen?«
    »So etwas würde ich nie tun, Meister! Das widerspricht meinem Eid!«
    »Du besitzt also Laran? Und wurdest in einem Turm ausgebildet? In welchem?«
    »Im Turm zu Neskaya.«
    »Und, du schwörst, daß du dein Laran niemals dazu gebraucht hast, deine Kundschaft für deine Bilder einzunehmen oder sonstwie zu beeinflussen?«
    »Nein, Meister, niemals. Es ist verboten! An so etwas würde ich nicht einmal denken.«
    Meister Therrold lehnte sich nachdenklich zurück. Der junge Geselle schien die Wahrheit zu sagen. Die Lage war äußerst verzwickt. Falls er log, wäre es nicht das erstemal, das so etwas vorkam. Skrupellose Händler und Handwerker, die mehr als nur ein Quentchen Laran abbekommen hatten, benutzten gelegentlich ihre übersinnlichen Fähigkeiten, gutgläubige Käufer davon zu überzeugen, sie hätten mehr erstanden als ihr Geld wert war. Das Zunftsystem hatte nicht zuletzt die Aufgabe, solche Mißbräuche zu unterbinden. Aber natürlich war es auch denkbar, daß Eryn nach bestem Wissen und Gewissen die Wahrheit sagte. Möglicherweise setzte er seine Fähigkeiten nur unbewußt ein. Jedenfalls mußte Therrold der Sache auf den Grund gehen.
    »Ich möchte gern, daß du ein Portrait von mir anfertigst, so als ob ich einer deiner Kunden sei. Würdest du das für mich tun?«
    »Aber natürlich, Meister. Falls Ihr aber glaubt, ich würde meine Kunden mit Laran beschwindeln, dann irrt Ihr …«
    Therrold schnitt ihm mit einer raschen Handbewegung das Wort ab. »Ich glaube ja nicht, daß du es absichtlich tust. Zumindest hoffe ich das. Aber ich frage mich, ob du es nicht vielleicht machst, ohne dir dessen bewußt zu sein.«
    Widerwillig holte Eryn seine Zeichenutensilien hervor und begann im Kerzenschein am Portrait Meister Therrolds zu arbeiten. Zunächst skizzierte er oberflächlich die Hauptgesichtszüge; dann zog er mit dem Zeichenstift die Details nach. Außer dem Kratzen auf dem Papier und dem Knistern des Kaminfeuers war nichts zu hören.
    Ab und zu ließ sich Therrold das noch unfertige Bild zeigen, um es zu untersuchen. Nichts ungewöhnliches daran, schon gar nichts außergewöhnliches.
    Danach machte Eryn sich daran, das Bild zu kolorieren. Er setzte seine Pinselstriche sauber und selbstsicher, und so entstand ein getreues Abbild des Zunftmeisters. An einem gewissen Punkt bat Therrold ihn, seine Arbeit zu beenden. Er nahm das Gemälde an sich und betrachtete es.
    »Da haben wir es! Das Portrait trifft mich perfekt. Hervorragend! Ich habe mich schon oft malen lassen, und ich muß sagen, deine Arbeit ist so

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