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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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etwas sehr Ernsthaftes passiert.
    Anelia wußte ganz genau, daß der Privatbesitz einer Bewahrerin unantastbar und für ihresgleichen absolut tabu war. Und dennoch verspürte sie, als sie Lady Marelies Zimmer reinigte, ein solches Verlangen, den Gegenstand zu berühren, daß sie ihn einfach in die Hand nehmen mußte. Während sie ihn hin- und herdrehte und mit den Fingern den verschlungenen, bläulichen Windungen folgte, die sich zu einem merkwürdigen und hypnotisierenden Muster zu verbinden schienen, wurde ihr plötzlich leicht schwindelig. Nachdem sie ihn zurückgelegt hatte, meldete sich in ihren Gedanken diese flüsternde Stimme.
    »Wirst du wohl Ruhe geben!« Anelia ließ ihren Staubwedel fallen und schüttelte den Kopf, als ob sie damit die Stimme verjagen könnte. Fast augenblicklich herrschte Ruhe. Was war geschehen? Dann fing die Stimme von Neuem an. »Hör auf!« befahl sie. Die Stimme gehorchte. Also konnte Anelia sich ihr irgendwie verständlich machen. Vielleicht fühlte sie sich deshalb auch nicht mehr ganz so hilflos.
    Als die Stimme sich erneut meldete, konnte Anelia zwar nur schwach, aber deutlich genug ein »Hallo« hören.
    »Hallo«, flüsterte sie zurück.
    »Hallo! Hallo!« erwiderte die Stimme, die offenbar über die Antwort hocherfreut war.
    »Wer bist du?« fragte Anelia zaghaft.
    »Vrrrd«, lautete die unverständliche Antwort. Das Wort wurde wiederholt, ergab aber noch immer keinen Sinn. Noch verwirrender aber war, daß sie erkennen mußte, daß jemand aus dem Inneren ihres Kopfes zu ihr sprach!
    »Wie ist das möglich, daß du in meinem Kopf bist?« fragte sie mit bebender Stimme und angestrengt auf die Antwort lauschend.
    »Das bin ich nicht! Ich befinde mich in der Oberwelt.«
    Die Oberwelt! Das war etwas für die Gelehrten in den Türmen, aber doch nicht für eine einfache Dienerin, bei der man sich noch nicht einmal die Mühe machte, sie auf Laran hin zu überprüfen. Wie konnte sie mit jemandem in der Oberwelt sprechen? Die Stimme fragte immer und immer wieder, bis Anelia es endlich verstand. »Kannst du die Matrix noch einmal berühren?«
    »Welche Matrix?« Allein schon bei dem Wort lief es ihr kalt über den Rücken. Sie hatte ihre Herrin dabei beobachtet, wie sie ihren Sternenstein für kleinere Verrichtungen im Hause einsetzte; und obwohl es nützlich zu sein schien, mißtraute Anelia dieser Kraft.
    »Die Kupfermatrix.«
    Das sollte eine Matrix sein? Es sah so ganz anders aus als die Sternensteine, die die Comyn sonst trugen. »Dann wirst du mich viel besser hören können«, wiederholte die Stimme mehrfach, bis Anelia jedes einzelne Wort deutlich verstehen konnte.
    »Aber ich traue mich nicht, nochmals in Lady Marelies Sachen zu kramen« widersprach sie. Was das letzte Mal passiert war, reichte ihr voll und ganz. »Was würde sie mit mir anstellen, wenn sie mich dabei ertappen würde?«
    »Gar nichts«, versicherte ihr die Stimme, »wenn du sie vorher höflich bittest. Ansonsten wirst du immer diesen schrecklichen Lärm in deinem Kopf haben, den du schon jetzt kaum aushalten kannst. Ich bitte dich!«
    Je mehr Anelia darüber nachdachte, desto überzeugter war sie davon, daß sie ein Leben mit dieser Stimme in ihrem Kopf nicht ertragen konnte. Sie entschloß sich, die Bewahrerin um Hilfe zu bitten. Lady Marelie war immer freundlich zu ihr gewesen, und das, obwohl sie selber so schwach und kränklich war. Die langen Perioden der Matrixarbeit überforderten ihre zarte Konstitution eindeutig. Auf ihrer Reise nach Neskaya hatte sie bereits zwei Schwächeanfälle erlitten, und nach jedem Gebrauch ihrer Matrix benötigte sie längere Regenerationsphasen.
     
    Als Anelia an diesem Abend Lady Marelie den Tee servierte, fragte das Mädchen schüchtern, ob sie das Artefakt sehen könne. »Aber natürlich«, lächelte Marelie. »Bring mir das Kästchen.« Anelia stellte es behutsam auf Marelies Nachttisch ab. »Da haben wir es ja«, meinte die Bewahrerin, als sie die Kupferspule hervorangelte und sie Anelia reichte. »Ist es nicht merkwürdig?«
    Es fiel Anelia schwer, den Gegenstand länger zu betrachten, während sie mit den Fingern über die verschlungenen Windungen glitt.
    »Wunderbar!« rief die Stimme, die jetzt überraschend deutlich zu vernehmen war. Anelia zuckte zusammen und hätte beinahe die Matrix fallen gelassen.
    »Es tut mir leid«, sprudelte sie hervor, »aber mir wird ganz schwindlig, wenn ich es ansehe.« Marelie runzelte nachdenklich die Stirn, als sie das Kästchen

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