Das Wort des Hastur - 12
gut wie die jedes anderen Meisters.«
»Aber es ist noch nicht fertig!« rief Eryn aus. »Ich muß noch einiges daran tun, bevor es vollendet ist!«
»Nicht vollendet? Welch ein Unsinn! Es könnte nicht besser sein!«
»Ich bitte Euch, laßt mich noch etwas daran arbeiten.«
Therrold gab das Bild zurück, setzte sich wieder in Positur und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Jetzt wurde es spannend. Genau so hatten es ihm seine Männer berichtet. Er war jedenfalls auf alles gefaßt. Während Eryn an dem Portrait weitermalte, erweiterte Therrold seine gesamte Sinneswahrnehmung, stets darauf bedacht, einen möglichen psi-Kontakt mit dem jungen Künstler aufzufangen.
Aber ein solcher Kontakt bestand nicht.
So saßen sie minutenlang da – der Maler auf seine Arbeit konzentriert, das Modell auf den Maler. Schließlich legte Eryn seinen Pinsel nieder und lächelte zufrieden. Therrold machte sich auf das Äußerste gefaßt, aber auch als Eryn ihm das vollendete Portrait zur Ansicht hinhielt, entstand kein Kontakt.
Therrold betrachtete das Bild nur kurz, dann brach er plötzlich in schallendes Gelächter aus.
»Aber natürlich, das ist es! Jetzt werde ich direkt mit der Nase darauf gestoßen. Du hast also doch dein Laran benützt!«
Eryn rang nach Luft. »Nein, das habe ich nicht!«
»Doch, das hast du sehr wohl!« Lachend erklärte Therrold es ihm. »Aber nicht, um mich zu beeinflussen, sondern um dich selbst zu inspirieren. Noch vor wenigen Minuten war das Portrait ganz realistisch, aber dann hast du es abgeändert. Schau her, hier hast du mein Haar etwas voller gemalt, und mein Gesicht wirkt jünger. Du hast mich nicht so gemalt wie ich bin, sondern wie ich selbst mich sehe! Und deshalb ist jeder mit deiner Arbeit so zufrieden – weil jeder in deinen Bildern das wiederzuerkennen glaubt, wofür er selbst sich hält!«
Eryn war fassungslos. Seine hochgesteckten Hoffnungen auf Ruhm und Ehre schwanden rapide.
»Ist es denn falsch, so etwas zu tun, Meister?«
»Falsch?« Therrold lachte. »Ganz im Gegenteil, mein Sohn, damit wirst du dein Glück machen!«
Das munterte Eryn sofort wieder auf.
»Heißt das, daß Ihr mich jetzt zum Meister macht?« Therrold lehnte sich in seinem Stuhl zurück und faltete selbstgefällig seine Hände.
»Nun ja«, erwiderte er, »das ist nun wieder eine andere Geschichte …«
ALEXANDRA SARRIS
Die Rückkehr
Alexandra Sarris meint, daß sie zwar seit ihrer Collegezeit eine begeisterte Leserin von SF- und Fantasy-Literatur ist, daß sie aber kaum je den Mut oder das Selbstvertrauen oder auch nur die Selbstdisziplin aufgebracht hat, sich hinzusetzen und ihre eigenen Geschichten zu schreiben.
Demnächst wird sich einiges in ihrem Leben verändern, da sie im Frühjahr nach Prag zieht. Sie freut sich schon darauf, in Europa endlich die Gelegenheit zu erhalten, ihre Deutsch- und Russischkenntnisse aus der Schule anwenden zu können.
»Warum nur geht mir diese Stimme nicht aus dem Kopf?« stöhnte Anelia. Seit zwei Tagen quälte es sie wie ein Juckreiz hinter den Augen, dem mit Kratzen nicht beizukommen war. Und dabei hatte sie das verfluchte Ding nur einmal in die Hand genommen.
Niemand wußte, was es war oder wie es hieß. Lady Marelie, die kaum älter als Anelia, aber bereits Unterbewahrerin war, hatte es mitgebracht, als sie während ihrer Reise nach Neskaya auf Gut Leynier Zwischenstation machte. Einige Monate zuvor hatte ein Jäger am Sandstrand des Sees Hali einen schimmernden Gegenstand entdeckt und diese merkwürdig gewundene Kupferarbeit ausgegraben. Er hatte seinen Fund dem dortigen Lord übergeben, der ihn wiederum an Marelie weitergereicht hatte. Bei ihrer Rückkehr nach Neskaya sollte ihr Matrixkreis den Gegenstand untersuchen und seinen Verwendungszweck herausfinden – es handelte sich eindeutig um ein Laran -Produkt. Inzwischen diente er als bevorzugtes Gesprächsthema, wo immer Marelie sich aufhielt.
Anelia machte sich selbst Vorwürfe. Sie war gerade erst fünfzehn und entsprechend neugierig. Aber als Dienerin hatte sie nur ihre Arbeit zu tun und sich ansonsten so unauffällig wie möglich zu verhalten. Neugierig zu sein zählte ganz bestimmt nicht zu ihren Aufgaben. Das sagte auch Lady Carissa Leynier immer, bevor sie Rogel befahl, Anelia für ihre ›Schnüffeleien‹ zu bestrafen. Ihre letzte Tracht Prügel spürte Anelia immer noch. Dabei ›schnüffelte‹ sie doch gar nicht; sie war halt nur ein wenig neugierig! Aber diesmal war
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