Das Wort des Hastur - 12
haben sie Coryn eingeladen, ohne mir davon auch nur ein Sterbenswörtchen zu sagen!
Als Leander und Ari die Carcosa-Gemächer betraten, sah Ari seinen Vater zusammen mit König Allart auf einem Diwan sitzen. Der Raum war angenehm temperiert, und die beiden Männer schienen in eine freundschaftliche Unterhaltung vertieft zu sein, so als ob Coryns Anwesenheit in Thendara nichts weiter als ein Ferienbesuch sei. Aber natürlich wußte Ari, daß dem nicht so war.
Coryn schaute auf und begrüßte zuerst seinen Sohn und dann Leander. Zu seinen Füßen befand sich eine längliche Holzkiste, die, der Form nach zu schließen, ein Schwert enthalten konnte.
»Bitte, nehmt Platz«, forderte der König die beiden auf und wies ihnen zwei Stühle zu. »Wir haben viel zu besprechen. Ich habe Coryn aus einem Grund herberufen, der uns alle angeht.«
Bei diesen Worten wurde König Allart mit einem Mal sehr ernst. »Ihr kennt die gespannte Lage zwischen uns und Ardais. Auch ohne die Gabe des vorausschauenden Larans läßt sich unschwer erkennen, daß ein voll entfesselter Krieg uns alle zerstören und nichts als Tod und Verwüstung zurücklassen würde. Ardais zielt natürlich darauf ab, die Zerstörung in den Ländereien, die er zu erobern hofft, so gering wie möglich zu halten. Wir sind deshalb übereingekommen, unseren Konflikt durch eine Schlacht der Türme beizulegen.«
Ari verschlug es den Atem. Eine Schlacht der Türme! Aber das war ein hoffnungsloses Unterfangen! Ardais besaß die besondere Gabe, sein Laran als Katalysator einzusetzen, um so noch schlummerndes Potential bei anderen Telepathen zu erwecken. Aus diesem Grund gab es in seiner Domäne auch mehr mächtige Telepathen als irgendwo sonst; sie waren sogar so zahlreich, daß sie vor dem Ende des Waffenstillstandes an andere Domänen ausgeliehen worden waren, weil es zu Hause nicht genug Arbeit für sie gab. König Allart muß den Verstand verloren haben, wenn er sich auf eine solche Laran -Schlacht mit Ardais einlassen wollte.
»Du brauchst nicht so bedrückt dreinzuschauen, Ari«, munterte der König ihn auf. »Ardais verfügt über viele starke Matrixarbeiter, das ist schon wahr. Aber keiner von ihnen besitzt die Hastur-Gabe.«
Also darauf lief es hinaus. Wieder diese Last! »Mein Lord, Ihr ehrt mich«, wandte Ari ein, »aber ich kann unmöglich allein gegen die versammelten Kräfte von Ardais antreten.«
»Das würde ich auch nicht von dir verlangen, Ari. Es gibt noch einen Hastur, der die Last mit dir teilen wird.«
»Aber es gibt keinen zweiten ausgebildeten Hastur …«, setzte Ari an, unterbrach sich aber, als er sah, wie der Blick des Königs auf Coryn ruhte. »Ihr, Vater? Aber wie ist das möglich?«
»Es ist möglich«, entgegnete Coryn. »Meine Gabe ging doch nicht unwiederbringlich verloren.«
Ari und Leander starrten ihn beide an. »Stimmt das?« brachte Ari schließlich heraus. »Dann seid Ihr wieder Bewahrer? Aber selbst mit Euren Kräften sind wir noch immer hoffnungslos unterlegen.«
Leander preßte nachdenklich die Lippen zusammen. »Der Junge hat recht. Lord Coryns Genesung ist eine höchst erfreuliche Überraschung, aber trotzdem sind wir Ardais nicht gewachsen.«
»Vor ein paar Wochen hätte ich Euch zugestimmt«, erklärte König Allart. »Aber Ihr kennt mein besonderes Laran, das darin besteht, alle denkbaren Möglichkeiten vorauszusehen. Mit Hilfe dieses Larans habe ich einen Weg gefunden.«
»Ich verfüge nicht über Allarts Gabe«, unterbrach Coryn und lehnte sich dabei zu Leander und Ari vor. »Aber auch ich sehe eine Möglichkeit, Ardais zu besiegen.«
Coryn beugte sich zu der Holzkiste vor seinen Füßen hinab und öffnete sie: darin lag auf purpurnem Samt schimmernd ein Schwert. Aber dies war keine gewöhnliche Waffe – eingelassen in den Knauf, umgeben von vielfarbigen Edelsteinen, blitzte ein ungeheurer, faustgroßer Sternenstein.
Als Coryn das Schwert ergriff und den Sternenstein umschloß, schien er zu riesenhafter Gestalt anzuwachsen, die sich über die anderen auftürmte. Blinzelnd nahm Ari zwei Erscheinungen wahr: die der realen Person und das Trugbild davon.
Dann legte Coryn das Schwert zurück und schrumpfte auf seine ursprüngliche Größe. »Mit dieser Waffe«, erklärte er, »können wir Ardais’ Verteidigung durchbrechen, indem wir das Kraftfeld um die Matrixarbeiter erschlagen.«
»Aber wozu sollte das dienen?« fragte Leander. »Wenn wir eine Bresche schlagen und mit Truppen nachsetzen, verletzen wir das
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