Das Wort des Hastur - 12
später mit seinem verwünschten Laran herausfinden …
Jetzt öffnete er sich ihr ganz, und einen Augenblick lang spürte Renata jene unglaublich innige Gedankenverschmelzung, ein Versenken, das sie immer an den See von Hali erinnerte, einen See, der weder ganz aus Wasser noch ganz aus Wolken bestand. Und plötzlich konnte Renata in seinen Gedanken einen unendlichen Schmerz lesen, den die letzten Monate auf Aldaran ihm bereitet hatten. Coryn war ein Bewahrer, und sein Eid band ihn an König Allart und den Turm zu Hali, so wie die Heirat den Mann an die Frau bindet. Von seinem Posten war er erst zurückgetreten, als er glaubte, seine Kräfte seien durch den Matrixstrom für immer vernichtet und verloren. Er hatte Allart nie gebeten, ihn von seinem Eid zu entbinden, da er dafür keine Veranlassung sah. Coryn hatte sie in der Annahme geheiratet, nie wieder Bewahrer zu sein. Aber er war genesen, seine Wunden geheilt. Und wie sehr er sie auch lieben mochte, jetzt war er wieder ganz und gar Hastur und dazu bestimmt, die ungeheuerlichen Matrixgeräte zu bedienen. Seine Laran -Begabung wurde dringend benötigt.
Bei dieser Einsicht verblaßte für Renata der drohende Krieg zur Bedeutungslosigkeit. Sie klammerte sich an Coryn. Und das alles hast du mir verschwiegen? Ich würde dich nie gegen deinen Willen hier auf Aldaran zurückhalten! Du mußt deinen Platz in Hali wieder einnehmen, wenn es das ist, was du wirklich willst.
Dann brach er die Verbindung abrupt ab; Coryn blieb ihr die Antwort schuldig. Wie gerne hätte sie jetzt ihr Gesicht in den Händen vergraben und geweint, aber das war natürlich in Gegenwart von Allarts Gesandten nicht erlaubt. Mehr für deren als für Coryns Ohren bestimmt, erklärte sie laut: »Du mußt gehen, wenn Allart dich braucht. Er würde dich nicht aus einer bloßen Laune heraus zurückrufen.«
Coryn nickte ihr sanft zu und wandte sich dann an Allarts Männer. »Gestattet mir einen Augenblick, mich von meiner Lady zu verabschieden. Dann werde ich euch folgen. «
Als die Männer den Raum verlassen hatten, nahm er Renata bei der Hand. »Es tut mir leid, ich hätte es dir sagen sollen. Aber um ehrlich zu sein, ich wußte nicht, was zu tun war. Egal, wie ich mich entschied, immer mußte ich einen Eid brechen.«
»Und was willst du wirklich, Coryn?«
»Ich werde dich nicht belügen, Geliebte: Ich kann es dir nicht sagen, denn ich weiß es selber nicht.«
Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust. Der goldfarbene Seidenbesatz seiner Jacke fühlte sich auf ihrer Wange kalt an, aber darunter konnte Renata spüren, wie sein Herz fest und kräftig schlug. Er war von so kleiner Statur, so schmächtig gebaut, daß man ihn, von ferne betrachtet, für nichts besonderes hielt.
Sie schloß die Augen. Vielleicht würde sie ihn an den Turm von Hali verlieren; sie sah diese Möglichkeit und akzeptierte es. Weitaus schlimmer war der Gedanke, ihn in diesem Krieg zu verlieren. Schon einmal hatte es ihr, noch als Mädchen, so sehr das Herz gebrochen, daß sie geglaubt hatte, sie würde nie wieder einen anderen lieben können. Und vielleicht wäre das sogar das Beste gewesen, nie wieder ihr Herz zu verschenken und ihr ganzes Glück auf das Leben eines sterblichen Menschen zu setzen. »Gib auf dich acht, Geliebter«, verabschiedete sie ihn. »Kehre aus all den Gefahren, die im Tiefland auf dich lauern, sicher zurück. Danach werden wir weitersehen.«
Ari lief eilig den Flur der Burg entlang und hoffte inständig, er habe sich nicht verlaufen. Die Burg mit den zahlreichen verschlungenen Gängen, die nirgends hinzuführen schienen, war verwirrend genug. Hunderte von Leuten kamen und gingen, und viele von ihnen hatten ihr Laran nur unzureichend unter Kontrolle. Auch die Begegnung mit den vielen aufdringlichen Dienern mißfiel Ari, aber im Moment hatte er keine andere Wahl.
Er erreichte Leander Aillards Quartier und wartete vor der Tür. Ihr habt mich gerufen?
Leander, ein großer, breitschultriger Mann mit dunklen Haaren, öffnete selbst und trat in die Halle. »Komm, folge mir«, sagte er zu Ari. »Dein Vater ist hier. Ich soll dich zu ihm bringen.«
Ari blieb wie angewurzelt stehen, bevor er Leander folgen konnte. Coryn hier? Aber warum?
Anscheinend hält es hier niemand für nötig, mir je etwas mitzuteilen, dachte er vorwurfsvoll, verbarg aber vorsichtshalber diesen Gedanken vor Leander. Immer nur heißt es »Ari, tu dies!« und »Ari, mach das!«, aber auf meine Gefühle nimmt niemand Rücksicht. Jetzt
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