Das Wort des Hastur - 12
zeugen; dein Onkel Regnald Hastur von Carcosa hat seinen einzigen mit Laran begabten Sohn verloren; und jetzt hat sich auch Coryn Hastur nach dem Verlust seiner Gabe nach Aldaran zurückgezogen. Gibt es da noch einen besseren Zeitpunkt, um zuzuschlagen? Der alte Cyril hat zu viele Söhne, und diese Söhne brauchen Land. Sie werden nicht zimperlich sein, wenn es darum geht, sich dieses Land zu verschaffen.«
»Du klingst nicht gerade wie ein besonders treu ergebener Friedsmann, Dyan«, meinte Ari.
»Syrtis ist jetzt im Besitz von Ardais, das ist schon wahr. Aber noch vor nicht allzu langer Zeit waren wir Hasturs Vasallen. Auch wenn wir unsere Treuepflicht verhandelt haben, um damit eine Schuld oder Verpflichtung zu tilgen, so heißt das noch lange nicht, daß wir eine besondere Vorliebe für Cyril und seinen Ehrgeiz hegen.«
Zahllose Gedanken schossen Ari durch den Kopf. Krieg! Er konnte es sich nicht einmal vorstellen, obwohl seine Pflegemutter, Lady Renata Aldaran, ihm genügend Geschichten davon erzählt hatte – und es waren schreckliche Berichte von Tod und Vernichtung, die ein Krieg über sie gebracht hatte, der lange vor seiner Geburt tobte.
Und Dyan? Dyan war durch Eid an Ardais gebunden, war gezwungen, Hali zu verlassen. Für Ari war das der herbste Schicksalsschlag.
»Du wirst mir fehlen, Dyan«, versicherte er dem Freund und ergriff dessen Hand. Dies war keine leichte Berührung zwischen Telepathen, sondern der feste Händedruck zwischen Freunden, der Ari in seiner Überempfindlichkeit eigentlich hätte schmerzen müssen. »Mögen die Götter dich beschützen!«
»Mögen die Götter uns beide beschützen«, erwiderte Dyan grimmig. »Wenn es denn Götter gibt.«
Hoch oben in den Hellers, in Aldaran, warf die Nachmittagssonne ihre langen roten Strahlen gegen die Berghänge. Ein wundervoller, warmer, ungetrübter Spätsommertag, so recht dazu geschaffen, aller Sorgen und Probleme ledig auf einem Balkon der Burg Aldaran zu sitzen.
Und doch …
Renata warf Coryn einen Blick zu, der am Tisch ihr gegenüber saß und das Gesicht leicht abgewandt hatte. Eine Brise fuhr ihm durch das kupferrote Haar, in dem sich bereits Silbersträhnen zeigten, und als er sich eine dieser losen Strähnen aus dem Gesicht strich, funkelte das Sonnenlicht auf dem Kupferarmband, das er am Handgelenk trug. Das passende Gegenstück dazu trug sie selbst.
Während Renata ihn noch so beobachtete, drehte er geistesabwesend an dem Armband und rieb sich die Haut darunter. Als ob es eine Fessel wäre, dachte sie. Ob ihn die Ehe verbittert?
Plötzlich wandte Coryn sich ihr wieder zu, aber seine Augen blieben kalt und ausdruckslos. So waren sie in letzter Zeit fast immer, ganz unabhängig von seiner Stimmungslage. »Es liegt nur an dem Metall«, meinte er. »Ich bin nicht daran gewöhnt. All die Jahre in Hali habe ich nie irgendwelchen Metallschmuck getragen, da Metall elektrisch leitet. Kennst du mich wirklich so schlecht, Renata, daß du glauben könntest, unsere Ehe sei mir eine Last?«
»Wer weiß schon, was du denkst oder fühlst, Coryn«, erwiderte sie verzweifelt. »Ich bestimmt nicht.«
»Es tut mir so leid, daß ich dir ein so schlechter Ehemann bin, Renata.« Er erhob sich und ging zur Brüstung hinüber, von wo er über das Tal blickte. War er zornig? Fühlte er sich verletzt? Fühlte er überhaupt etwas? Noch vor wenigen Monaten hätte Renata es nicht für möglich gehalten, daß sie sich in seiner Gegenwart je so ausgesperrt, so einsam fühlen könnte. Was hatte die Veränderung bewirkt? Warum hatte er Gedankenbarrieren gegen sie errichtet?
Renata war eine geborene Alton und besaß daher die Kraft, solche Barrieren gewaltsam niederzureißen. Ein einziges Mal hatte sie es sogar getan: Das war vor einem Jahr gewesen, als er schwer verwundet und nahezu kopfblind darniederlag, nachdem er den vollen Rückstrom einer Matrix der fünften Stufe aufgefangen hatte, um seinen eigenen und ihren Pflegesohn zu retten. Aber damals war er schwach, verletzlich und mit Drogen betäubt gewesen. Sollte sie jetzt, da er stark und widerstandsfähig war, versuchen, den Rapport zu erzwingen, könnte sie ihn dabei möglicherweise töten. Und selbst wenn es gelänge, was würde sie damit schon gewinnen? Bestimmt nicht seine Liebe und sein Vertrauen.
Sie wußte einfach nicht, was sie tun sollte. Sollte sie zu ihm gehen oder in die Burg zurück, sollte sie ihn ansprechen oder weiterhin schweigen?
Aber Coryn sprach von sich aus. »Reiter! Sie
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