Das Wort des Hastur - 12
wie sich die Energie in dem Kreis aufbaute, sich über ihn ergoß, ihn förmlich verschlang und noch immer weiter anwuchs. Er versuchte, seine eigenen Ängste nicht aufkommen zu lassen, als er den Knauf des Schwertes ergriff und in das Grau der Oberwelt aufstieg. Hier wurde er zum Riesen, der sich turmhoch über die graue Ebene erhob. In weiter Entfernung sah er die Burg Ardais, auf die er rasch zuschritt, und jeder seiner Schritte brachte ihn seinem Ziel Meile um Meile näher.
Als er die Burgtore erreichte, sah er, wie ein Schatten an ihm vorbeihuschte. Das mußte Coryn sein. Ari schwang das Schwert und ließ es krachend gegen die Burgmauer niedersausen. Ein Sprung!
Das geht leichter, als ich gedacht habe, stellte er verwundert fest und riß das Schwert gleich noch einmal in die Höhe. Plötzlich taumelte er zurück, als der Kreis der Leroni von Ardais sich neu formierte. Er spürte einen heftigen Schlag gegen den Kopf, so daß sich alles vor seinen Augen drehte; dennoch versuchte er, sich wieder vorwärts zu stürzen und das Schwert zu erheben. Doch dazu fehlte ihm die Kraft. Er forderte vom Kreis mehr Energie, sog und verbrauchte immer mehr davon, und trotzdem reichte es nicht.
Wenn alles gut gegangen wäre, wäre er sich seines leiblichen Körpers gar nicht bewußt geworden. Dem war aber nicht so; eine merkwürdige Doppelwahrnehmung drängte sich ihm auf. Ari spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat.
Er mußte das Schwert schwingen! Alles hing davon ab, daß er die Barrieren niederriß. Noch vehementer zapfte er die Energieverbindung an.
Wir können die Belastung nicht länger aushalten! Leanders Stimme mischte sich in das Grau der Oberwelt. Der Kreis droht auseinander zu brechen. Komm zurück, Ari, oder wir werden dich verlieren!
Ari erstarrte. Nein! Er konnte nicht zurückkehren. Das Kraftfeld war noch immer nicht durchbrochen, und irgendwo zwischen Oberwelt und Thendara saß Coryn gefangen.
Komm zurück! Komm zurück! Leanders Stimme, zunächst noch laut und deutlich, verblaßte immer mehr. Zum Nachdenken blieb keine Zeit. Ari bündelte die gesamte verbliebene Energie des Kreises und warf sich mitsamt seines Körpers in die Oberwelt. Mit Zittern und Beben fanden Körper und Geist in dem grauen Nebel wieder zueinander. Dann spürte er, wie er an dem Traumturm vorbei und durch die Nebel auf die real existierende Burg zustürzte. Im Sturz noch hob er mit beiden Händen das Schwert und schwang es in einem weiten Bogen über dem Kopf. Mit geschlossenen Augen, einzig geleitet durch sein Laran, ließ er das Schwert niedersausen, bis es auf Widerstand traf. Er sammelte seine Kräfte zu einer letzten Anstrengung und stieß das Schwert hindurch.
Plötzlich fand er sich auf dem Boden einer Matrixkammer wieder und starrte unvermutet in die benommenen Augen von Dyan Syrtis. Wie ungerecht, dachte Ari, ausgerechnet auf Dyan als Feind zu stoßen. Aber darüber nachzudenken, hatte er jetzt keine Zeit. Direkt vor ihm lief das eigentliche Drama ab. Coryn schritt durch die Mitte des Kreises. Jeder Schritt schien ihm Todesqualen zu bereiten, als er sich langsam dem großen Matrixschirm näherte.
Ari konnte spüren, wie der Alarm sich wellenförmig durch den Kreis von Ardais fortpflanzte und sich seine Kräfte gegen Coryn richteten, um ihn aufzuhalten.
Alles kam Ari wie ein Traumbild vor: Ganz langsam, so als ob er durch Wasser waten müßte, strebte Coryn mit ausgebreiteten Armen der Matrix zu. Die Leroni von Ardais schienen sich nicht mehr zu regen, ja nicht einmal mehr zu atmen. Neben Ari lag das Matrixschwert jetzt ausgebrannt und leblos auf dem Boden. Aber das spielte keine Rolle mehr, denn er besaß ohnehin nicht mehr die Kraft, es noch einmal zu führen, selbst wenn das Schwert heil geblieben wäre.
Ari bemerkte auch, daß Coryn all seine Kraft brauchte, den Kreis von Ardais abzuwehren. Damit besaß er aber nicht mehr die nötige Gelassenheit und ausschließliche Konzentration, um den Rückstrom aufzufangen. Sie würden alle sterben, jeder einzelne in diesem Raum. Ari war nur froh, daß die Verbindung mit Thendara abgebrochen war. Dadurch würden zwar er und Coryn sterben, aber Allart würde überleben. Und der Krieg mit Ardais käme zu einem Ende.
Nein!
Wessen Stimme war das gewesen? In dem selben Augenblick, da Coryn den Matrixschirm erreichte, zerriß der Kreis von Ardais, die Energie brach zusammen und erstarb. Und plötzlich war Coryn frei und konnte ungehindert die Matrixenergie durch seinen
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