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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Bittstellern mit allen möglichen Beschwerden und Anliegen. Ein verarmter Comyn-Lord aus einer unbedeutenden Seitenlinie des Hastur-Clans bat um eine Mitgift für seine Tochter – wahrscheinlich reichte ihr Laran nicht aus, sie anderweitig an den Mann zu bekommen. Einige Schafhirte protestierten gegen die Einfriedung von bisher öffentlich zugänglichem Gemeindeland. Ein Falkner überreichte dem König zum Zeichen des Dankes für irgendeine gewährte Gunst einen besonders edlen Vogel. Ein fetter Händler bat um ein königliches Monopol. Ein Musiker in den Farben der Ridenows …
    Halt! Was war das?
    Tayksa richtete sich etwas auf, als der letzte Bittsteller vor den Thron trat. Es kam durchaus häufiger vor, daß Musiker bei diesen Audienzen erschienen, aber normalerweise waren sie ohne feste Anstellung, halb verhungert und meist noch sehr jung. Dieser Mann hingegen war schon vorgerückten Alters und seine ganze Ausstrahlung besagte, daß er schon lange nicht mehr als Künstler am Hungertuch nagte. Außerdem trug er deutlich erkennbar das Clanmuster der Ridenows. Tayksa hatte noch nie zuvor einen Musiker in voller Livree gesehen, und auch seine sorgenvolle Miene wollte nicht so recht zu ihrer Vorstellung von einem Minnesänger passen. Noch erstaunlicher aber war die Tatsache, daß Varzil ihn offenbar kannte.
    Der Mann verneigte sich tief, und Varzil hieß ihn mit einem warmherzigen Lächeln willkommen. »Anndra! Welch eine Freude, dich zu sehen! Schickt dich dein Lord zu mir?«
    »Nein, mein König«, entgegnete der Musiker bedrückt. »Ich komme in eigener Sache, obwohl mein Anliegen auch meinen Herrn betrifft.«
    Varzil gab ihm ein Zeichen näher zu treten, um außer Hörweite der anderen zu sein. Der junge Wächter zur Linken umklammerte nervös seine Hellebarde, aber Tayksa blieb völlig gelassen. Nichts an diesem Musiker erregte ihren Verdacht; und wenn es denn jemanden gab, der einen möglichen Attentäter erkennen konnte, dann war sie es. Schließlich hatte sie früher selbst Attentate verübt.
    Cemoc, der Friedsmann des Königs, bemerkte ihre entspannte Haltung und schenkte daher der Besorgnis des anderen Wächters keine weitere Beachtung.
    »Mein Herr und König, ich komme mit einem Problem zu Euch, bei dem nicht nur mein Leben auf dem Spiel steht«, erklärte der Musiker Anndra unglücklich. »Es könnte mich meinen Ruf kosten, der mir weit mehr bedeutet als meine bloße Existenz.«
    Bei Zandrus Hölle, es ist kein Wunder, daß er so mitgenommen aussieht. Sowohl der König als auch Tayksa nickten ihm verständnisvoll zu, wobei Anndra die Entsagende jedoch kaum beachtete, sondern seine ganze Aufmerksamkeit auf Varzil richtete. »Es handelt sich um Lord Ridenows jüngsten Sohn Jehan«, fuhr Anndra fort. »Mein Herr hat ihn meiner Obhut anvertraut; ich sollte ihn zusammen mit meinen drei Schülern in der Musik unterweisen. Der Junge ist … nun sagen wir … durchschnittlich begabt, vielleicht auch etwas weniger, aber er und mein Lord scheinen beide davon überzeugt zu sein, er habe echtes Talent. Ich fand weiter nichts dabei, den Vater in diesem Glauben zu lassen – aber es war unmöglich, dem Jungen etwas beizubringen, da er sich weigerte einzusehen, daß auch er noch etwas lernen müsse.«
    »Nun, Anndra, das wird Lord Ridenow dir kaum zum Vorwurf machen können«, wandte Varzil ein, aber Anndra schüttelte nur den Kopf.
    »Das ist auch gar nicht das Problem, mein König. Es ist viel schlimmer – der Junge ist ein Dieb. Nicht etwa, daß er Sachen stiehlt, nein, er klaut Ideen.«
    Varzil runzelte die Stirn. »Aber Ideen kann man nicht einfach mit Namensschildern versehen«, meinte er sanft tadelnd. »Gerade du, Anndra, solltest das doch wissen.«
    »Ich weiß das ebenso gut wie Ihr, aber versucht einmal, das Lord Ridenow begreiflich zu machen!« In seiner Verzweiflung vergaß der Musiker fast die höfischen Umgangsformen. »Hört mich an, mein König, und entscheidet dann, ob Ideen gestohlen werden können oder ob nicht. Unser Dilemma sieht folgendermaßen aus: Ich oder einer meiner Schüler beginnen mit einer neuen Ballade. Jehan hört sie zufällig mit an, und sofort geht er hin und schustert daraus seine eigene verstümmelte Fassung. Dann rennt er damit zu seinem Vater und spielt sie ihm vor – und danach trauen wir uns natürlich nicht mehr, unsere Lieder aufzuführen, aus lauter Angst, daß wir am Ende noch beschuldigt werden, Jehans Ideen gestohlen zu haben. Vielleicht kann man nicht direkt sagen,

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