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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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den kleinen Kräuterstand vor ihrem Häuschen, an dem schon Rafaels Großmutter ihre Heilkräuter und Küchengewürze verkauft hatte. Meist war Rafael dort anzutreffen, emsig damit beschäftigt, seine Waren in kleinen Häufchen und gebundenen Sträußchen auszulegen, wenn er nicht gerade drinnen die Trockenregale für die Kräuter überprüfte oder am Destilliergerät arbeitete. Darrel fand es immer ein wenig lustig, seinen Geliebten dabei zu beobachten, wie er vor den Glaskolben kniete und angestrengt diese Mischung oder jenes Gebräu zusammenrührte.
    Und noch mehr erheitert es ihn, wenn er Rafael auf allen Vieren durch eine Wiese kriechen sah, emsig darauf bedacht, noch mehr Chesariwurzeln zu sammeln (von denen schien es nie genug zu geben). Darrel lachte dann immer und nannte Rafe einen ›wählerischen Hasen‹. Manchmal sah er dann sogar nach, ob seinem Liebhaber schon lange, pelzige Ohren wuchsen.
    Rafael war nun nicht mehr kalt, gewärmt von dem Feuer im Kamin, vor dem er saß, und von den schönen Erinnerungen. Nie waren er und Darrel sich so nahe gekommen? War es immer schon so gewesen? Natürlich hatten sie sich schon als Kinder gekannt und gemocht, aber da war immer schon mehr gewesen. Rafael lächelte traurig. Fast hätte er das alles zerstört …
     
    Es war Hochsommer, und er war gerade fünfzehn. Darrel mochte diese Jahreszeit am liebsten, in der es immer so viel zu tun gab. Aber wenn man es schlau genug anstellte, konnte man bei all der Arbeit immer ein paar Minuten erübrigen, um sich unter den Nußbäumen auszustrecken und einfach nur vor sich hinzuträumen. Und genau das hatte Darrel vor. Aber natürlich nicht allein …
    Rafael lag, geborgen im Arm des Freundes, an seiner Seite. Dennoch ging ihm an diesem Tag manches durch den Kopf, das ihn beunruhigte. Sein Großonkel, neben seiner Großmutter Rafes Vormund, hatte schon wieder davon angefangen, daß es an der Zeit wäre, an Verlobung und Heirat zu denken. Dabei war ihm schon der Gedanke an ein Leben mit einer Frau unangenehm. Was mußten sie sich überhaupt einmischen? Schließlich war er jetzt fünfzehn, also fast schon alt genug, selbst zu entscheiden. Darrel war bereits sechzehn, und auch er hatte sich noch nicht verlobt.
    Rafael und Darrel hatten so vieles miteinander geteilt: nicht nur Erlebnisse, sondern auch ihre Gefühle und Träume. Und auch zu Intimitäten war es gekommen – nichts Ungewöhnliches für Jungen in ihrem Alter. Einmal hatte es während einer besonders kalten Nacht unter der Decke stattgefunden; ein anderes Mal hinter den Bäumen, bei jenem wunderbaren geheimen Treffen unter den vier Monden. Sie hatten oft darüber gesprochen, aber nur einmal hatte Rafe den Mut gefunden, Darrel zu gestehen, er wünschte sich, diese Intimitäten mit ihm würden nie ihren Reiz verlieren. Dieser Gedanke beunruhigte ihn selber. Wollte er einfach nicht erwachsen werden? Oder war er gar einer jener verweichlichten, weibischen Kerle, die sich immer nur mit kleinen Knaben abgaben und auch dann noch ihre Spielchen trieben, wenn das schon längst nicht mehr als normal galt?
    Schließlich hatte er sich einzureden versucht, daß es sich mit Darrel auch nur um ein Spiel handelte, ganz gleich, wie besonders es ihm erschien. Das alles sollte einst nur eine süße Erinnerung bleiben, die man besser für sich behielt und an die man vielleicht im hohen Alter zurückdenken durfte.
    Während Rafael also bei seinem Freund lag, für den Augenblick noch beschützt und getröstet, mußte er seufzen. Es war an der Zeit, das Spiel zu beenden. Sicherlich verlängerte Darrel es nur aus alter Freundschaft zu ihm. Er wollte Rafe bloß einen Gefallen tun, wenn er so tat, als sei er noch ein Kind, obwohl doch beide längst zu Männern herangereift waren. Es war gut gemeint, aber es würde nur um so schmerzlicher sein, wenn dann später die Verlobung beschlossen und die Heiratsverträge unterzeichnet würden. Gewiß hatte Darrels Familie dies bereits in die Wege geleitet, auch wenn er selbst nichts davon erwähnt hatte. Wahrscheinlich hatte er es bislang verschwiegen, um seinem Freund nicht weh zu tun. Aber heute hatte er Rafe hierher gebeten, um ihm etwas wichtiges mitzuteilen. Konnte es sich dabei um etwas anderes handeln als die Bekanntgabe seiner Verlobung? Rafael schloß die Augen und stellte sich innerlich darauf ein. Es mußte gesagt werden. Besser jetzt als …
    Sanfte Lippen berührten seine Wange.
    »Schläfst du, Rafe?«
    Rafael schüttelte den Kopf und

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