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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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meinst. Ich habe es begriffen, als ich mit Margali zusammen war.«
    Rafael schaute erstaunt auf. Als Darrel das erste Mal davon erzählt hatte, was er mit Margali so trieb, hatte Rafe die widerstreitenden Gefühle kaum verkraftet. Einerseits fühlte er sich glücklich, denn genau das wünschte er ja seinem Freund; aber gleichzeitig war er auch wahnsinnig eifersüchtig. »Ich dachte, du liebst sie. Das hast du jedenfalls gesagt.«
    »Aber das tue ich nicht. Nicht so, wie ich dich liebe!« Darrel suchte hilflos nach den passenden Worten. »Na ja, ich hatte schon meinen Spaß mit ihr. Aber wenn ich mit dir zusammen war, hat es mir so viel mehr bedeutet. Es war einfach … wunderbar. Ich kann es wirklich nicht richtig erklären. Mit dir, da wachsen mir Flügel, da sehe ich die Welt mit Falkenaugen von oben, in deiner Nähe fühle ich mich stark wie ein Herbststurm oder ein Schneegestöber …« Rafael lächelte. Darrel war so warmherzig und einfühlsam und nie um ein Wort verlegen – auch wenn er es immer bedauerte, das Liebesgedichte nicht zu seinen Stärken gehörten.
     
    Rafael wendete das Hemd und begann einen neuen Saum. Dieser ›Streit‹ lag schon so lange zurück, daß er jetzt lächelnd daran zurückdenken konnte. Der Schmerz schien fast vergessen. Ja, damals waren wir wirklich noch Kinder.
    Darrel hatte Tage gebraucht, um Rafael von der Aufrichtigkeit seiner Gefühle zu überzeugen. Danach war es zu Streitereien und Mißverständnissen mit ihren Freunden und Familien gekommen. Am schlimmsten hatte sich Rafaels Großonkel aufgeführt: Wochenlang hatte er rumgejammert und immer wieder betont, wie froh er sei, daß Rafaels Eltern diese Schande nicht mehr erleben mußten. Rafe war sehr erleichtert, daß seine Großmutter mehr Verständnis für seine Wahl aufbrachte. Aber auch ihr war es nie gelungen, den alten Mann umzustimmen oder wenigstens dazu zu bewegen, sich Rafes Gründe anzuhören. Er war kurz darauf am Fieber gestorben, und nahm dieses Zerwürfnis mit ins Grab. Darrels Familie hatte etwas mehr Einfühlungsvermögen gezeigt, zumindest bemühten sie sich, den Liebhaber ihres Sohnes höflich zu behandeln.
    Selbst jetzt, nach so langer Zeit, gab es immer noch gelegentlich schiefe Blicke und den ein oder anderen, der hinter ihren Rücken tuschelte. Und das würde sich auch nicht mehr ändern. Tratsch war in so kleinen Dörfern nun einmal an der Tagesordnung. Inzwischen hatten sich Rafael und Darrel so sehr daran gewöhnt, bevorzugter Gegenstand von Spekulationen zu sein, daß sie es nicht weiter störte, so lange die verbreiteten Gerüchte nicht allzu fantastische Ausmaße annahmen.
    Plötzlich fiel Rafael die Suppe wieder ein, die er über dem Feuer angesetzt hatte. Zum Glück war sie noch nicht angebrannt – das hätte doch zu sehr an seiner ›Hausfrauenehre‹ gekratzt. Er nahm den Suppentopf vorsichtig vom Haken und stellte ihn zum Warmhalten an den Rand der Feuerstelle. Zum Essen hatte er noch keine Zeit; erst mußte er noch einige Reihen am Hemd zu Ende sticken.
    Erschrocken fuhr er herum, als er vor der Haustür ein Geräusch hörte. Er wickelte schnell das Hemd wieder ein, hüllte sich selbst in eine dicke Decke und eilte zur Tür. Grundgütige Avarra! Darrel wird doch nicht jetzt schon zurückkommen? Er muß völlig verrückt geworden sein, bei diesem Wetter zu reisen! Und um diesen Gedanken noch zu bekräftigen, frischte der Sturm gerade in diesem Augenblick wieder erneut auf. Das heulende Auf und Ab ließ Rafael erzittern, als er dann den Riegel der Haustür zurückschob.
    Ein Fremder stand vor der Tür. Ganz bestimmt ein Lord – seine kostbaren Kleider und der edle Pelz ließen daran keinen Zweifel. Er schob die Kapuze seines Mantels zurück, unter der dunkelrote Haare zum Vorschein kamen, in denen noch einige Schneeflocken hingen. Auch die fein geschnittenen, glatten Gesichtszüge verrieten den Adligen – kein Dorfbewohner sah so aus. Rafael zögerte zunächst verlegen, trat dann aber eilig einen Schritt zurück und bat den Fremden herein. Eingehüllt in seine Decke fiel die Verbeugung eher unbeholfen und komisch aus.
    »Z’par servu, vai Dom. Bitte, tretet ein.«
    Der Lord lächelte nachsichtig, trat sich die Füße ab und schüttelte den Schnee von seinem Mantel. Rafael bemerkte jetzt überrascht, daß sein Gast etwa in seinem Alter war, vielleicht sogar etwas jünger. Bei der vornübergebeugten Haltung hatte er zunächst wesentlich älter gewirkt. Er erwiderte Rafaels Verbeugung und trat

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