Das Wort des Hastur - 12
und Nähe seines Stallgefährten mußte es einsam die Nacht verbringen. Heute nach konnte es sich nur selber wärmen …
Mir geht es nicht besser, dachte Rafael. Um sich selbst noch einmal zu vergewissern, schaute er aus dem Fenster. Bei diesem Wetter konnte Darrel unmöglich die Heimreise antreten, obwohl er ja manchmal die verrücktesten Sachen unternahm. Schon der Gedanken an ihn heiterte Rafael auf: seinen Bredu, den Mann, der ihm näher stand als ein Freund oder selbst ein Bruder es je konnte. Sie waren jetzt bereits sechs Jahren zusammen, und die Leute sagten, sie paßten gut zueinander. Zumindest meinten das diejenigen, die beide näher kannten und mochten und sich nicht von ihnen abwendeten, wenn sie ihnen auf der Straße begegneten. Das kam zum Glück immer seltener vor, aber getuschelt wurde natürlich noch immer. Das ließ sich in einem so kleinen Dorf gar nicht vermeiden. Andererseits wurde jeder, der hier lebte, benötigt, um bei der Ernte oder dem Viehtrieb zu helfen oder das Dorf gegen Waldbrände oder feindliche Angriffe zu verteidigen. Jeder tüchtige Mann zählte, selbst wenn er ein bißchen … anders war.
Die Leute hielten Rafael für einen harmlosen Ombredin, und nichts weiter. Vielleicht ein bißchen überspannt, aber doch längst nicht so sehr, um Frauenkleider oder auch nur eine Haarspange zu tragen. Rafael hatte das oft genug wortwörtlich – und insgeheim amüsiert – gehört. Gedankenvoll strich er sich durch sein volles, dunkelbraunes Haar, in dem sich einige helle rote Strähnen zeigten. Es stimmte schon, er trug es etwas länger als die meisten anderen Männer – und gerade das gefiel Darrel. Und wenn Rafael ganz ehrlich mit sich war, hatte er sich solch eine Spange mehr als einmal gewünscht. Aber um unnötiges Gerede zu vermeiden, mußte es bei einem einfachen Band bleiben.
Rafael beugte sich zur Feuerstelle, um einen glimmenden Scheit herauszuziehen und damit die Öllampe zu entzünden. Für die Arbeit, die er jetzt zu tun hatte, brauchte er mehr Licht. Bei dem Gedanken daran mußte er unvermittelt lachen. Wenn diese Lästermäuler im Dorf ihn jetzt so bei seiner Näharbeit sehen könnten! So etwas war natürlich Frauensache, aber Rafe hatte nie bereut, den geschickten Umgang mit Nadel und Faden erlernt zu haben. Viele der Sachen für Darrel und sich hatte er selbst genäht, und auszubessern gab es immer etwas. Er konnte mit Recht stolz sein auf seine Handarbeiten, die denen der Frauen im Dorf in nichts nachstanden. Aber zu stolz sollte man auch nicht sein, rügte er sich selbst, das zahlt sich nie aus.
Rafael holte ein kleines, in gegerbte Tierhaut eingeschlagenes Bündel hervor und wickelte das Kleidungsstück aus, an dem er jetzt arbeiten wollte: ein weißes Hemd aus feinstem Leinen, das am Kragen und an den Manschetten mit einem Blattmuster bunt bestickt war; seit Wochen hatte er heimlich daran gearbeitet, und jetzt war es fast fertig.
Es zu verbergen war nicht schwer gewesen, da Darrel so selten zu Hause war. Auch jetzt war er wieder auf dem Gut von Armida, wo er als Stallbursche gutes Geld verdiente. Nur jede zweite Langwoche kam er einmal heim, und auch dann nur auf zwei Tage. Um so kostbarer war ihnen diese gemeinsam verbrachte Zeit. Das galt ganz besonders für das bevorstehende Mittwinterfest, an dem jedermann, vom ärmsten Bauern bis zum reichsten Lord, mit Festgelage, Tanz und Geschenken feierte. Und dieses Hemd, das dem Fest wirklich würdig war, sollte Rafaels Mittwinter-Geschenk an Darrel werden. Es sollte auch eine versteckte Anspielung sein: Solch ein Festhemd war traditionsgemäß ein Verlobungsgeschenk der jungen Braut an ihren zukünftigen Mann. Eine schöne Braut war er – sechs Jahre hatte er seinen Mann darauf warten lassen!
Rafael versenkte sich in seine Arbeit. Mit raschen Stichen führten seine Finger die Nadel. Immer wieder hatte Darrel diese Finger geküßt und ihn damit aufgezogen, daß er mit solch schönen und feingliedrigen Händen doch eher zum Lord geboren sei. Und Rafael hatte stets gutmütig über den Scherz gelacht. Feingliedrig mochten sie ja aussehen, aber die Haut war ganz bestimmt nicht zart und geschmeidig wie bei einem reichen Lord. Nein, er hatte die gleichen von der Arbeit rauhen Hände wie jeder andere Dorfbewohner auch. Doch das hatte seinen Darrel nie gestört. Er hatte seine Hände geküßt, und dabei stets den gleichen Scherz gemacht.
Überhaupt liebte es Darrel, über alles und jeden zu scherzen, ganz besonders aber über
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