Das Wort des Hastur - 12
mir erzählt, daß er in seiner Jugend ganz anders war, nämlich streng und unnachgiebig. Besonders als er glaubte, Romilly für immer verloren zu haben.«
»Aber als Romilly zurückkam und sich mit ihm aussöhnte, da hat er ihr vergeben. Und auch ihren Brüdern. Und dann lebten sie alle glücklich und zufrieden«, sprudelte Romillira mit glänzenden Augen hervor.
»Genauso war es«, lächelte Stephan. »Schließlich wurde mein Vater Rael Oberhaupt der MacArans, und jetzt ist die Reihe an mir.«
»Eine Frage, Vater.« Sie zögerte. »Könnte es sein, daß Urgroßvater … könnte er Luciella entehrt haben? Ich meine, hat er vielleicht einen Sohn …«
»Romillira! Du solltest dich schämen!« Stephan sprang empört auf. Sein Gesicht lief so rot an wie die Sonne von Darkover.
Romillira wich beklommen seinem Blick aus. »Es tut mir leid, Vater, aber ich meine doch nur …«
Stephan hob abwehrend die Hand, als ob er sich vor etwas schützen müßte. »Kein Wort mehr, Romillira! Kein einziges Wort!« Er drehte sich um und verließ rasch und zornig das Zimmer.
»Es geht auch alles schief«, schluchzte sie in ihr Kissen. »Jetzt werden Vater und Mutter mich hassen. Und alles nur wegen dem schrecklichen Mann!« Sie weinte sich in den Schlaf.
Sobald sie ihr Frühstück beendet hatte, kam Mallira mit einer langen Liste von Stellen aus dem Buch des heiligen Lastenträgers zu ihr. Sie sollte diese Stellen nicht nur lesen, sondern auch Buchstaben für Buchstaben abschreiben.
»Und wenn du damit fertig bist, werden wir zwei uns einmal gründlich zu unterhalten haben«, wies ihre Mutter sie an. »Geh jetzt, bevor mir noch mehr dazu einfällt.«
Romillira beendete ihre Strafarbeit und ging damit zu ihrer Mutter. In ihren Händen hielt sie die abgeschriebenen Stellen, die alle davon handelten, daß Kinder ihre Eltern und die Erwachsenen ehren sollten. Nichts von alledem traf ihrer Meinung nach auf sie zu, und Romillira war wild entschlossen, zu Wort zu kommen.
»Komm her, mein Kind, setzt dich zu mir«, forderte ihre Mutter sie auf. »Jetzt wollen wir einmal sehen, was der heilige Lastenträger darüber zu sagen hat.«
»Zuerst wollen wir einmal sehen« widersprach Romillira trotzig, »worüber wir überhaupt reden! Ich muß Euch etwas erzählen, Mutter! Ich muß es einfach! Wenn Ihr es gehört habt, könnt Ihr immer noch entscheiden, ob Ihr auf dieser Lektion besteht. Dann werde ich auch gehorsam zuhören.« Obwohl sie mit bebender Stimme sprach, klang sie doch so überzeugend, daß Mallira darüber nachdenken mußte. Und das nutzte Romillira sofort zu ihrem Vorteil. »Der Falkenmeister meint, sein Großvater sei Mikhails Sohn, den man versteckt hielt, um keine Schande über die Familie zu bringen. Das glaubt er jedenfalls. Ich habe mir das nicht ausgedacht! Wieso sollte ich auch? Er ist davon überzeugt, und deshalb haßt er uns!« Jetzt erst setzte sie sich hin und verschränkte die Arme, als ob sie damit zu verstehen geben wollte: so, jetzt weißt du es, und nun entscheide du.
Mallira schwieg unschlüssig, als sie überlegte, ob ihre Tochter nicht vielleicht doch die Wahrheit sagte. Romillira hielt die Warterei nicht länger aus und lief zappelig im Zimmer auf und ab; ihre Finger spielten nervös mit der Spange ihres Kleides. Schließlich faßte Mallira sie energisch bei der Hand. »Wenn dein Vater mit seiner Arbeit fertig ist, werden wir der Sache auf den Grund gehen!«
Ihre Eltern hörten aufmerksam zu, als Romillira in allen Einzelheiten ihre Kontakte mit dem Falkenmeister und den Vögeln berichtete. Dann erhob Stephan sich und ging genauso unruhig wie zuvor seine Tochter im Zimmer hin und her. Noch konnte er sich zu keinem Urteil durchringen, aber Romillira meinte, an seiner besorgten Miene erkennen zu können, daß er ihr glaubte.
Schließlich brach er sein Schweigen. »Ich bin noch immer nicht bereit, dir alles vorbehaltlos abzunehmen, was du da gesagt hast. Die Geschichte klingt einfach zu fantastisch. Immerhin hast du mich soweit überzeugt, daß ich einige Untersuchungen anstellen werde. Wie lautete noch gleich der Name seines Großvaters?«
»Ich … ich bin mir nicht ganz sicher. Loran, hat er gesagt, oder vielleicht auch Doran. Ich hatte solche Angst, da kann ich es auch falsch verstanden haben. Seine Mutter hieß, glaube ich, Velda.«
»Als erstes sollte ich die alten Aufzeichnungen durchgehen. Aber das kann dauern, es liegt ja schon so lange zurück.« Stephan strich sich die Haare zurück
Weitere Kostenlose Bücher