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Das Wort des Hastur - 12

Das Wort des Hastur - 12

Titel: Das Wort des Hastur - 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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genommen.
    Am darauffolgenden Tag wiederholte sie ihr unschuldiges Spiel, allerdings mit dem Unterschied, daß sie sich diesmal immer näher an die Vogelverschläge heranpirschte. Vielleicht konnte sie ja unbemerkt etwas herauskriegen.
    Scheinbar in ihr Spiel vertieft, näherte sie sich bis auf etwa zehn Schritte dem Eingang. Als sie versuchte, ihr Laran zu aktivieren, überkam sie plötzlich ein Schwindelgefühl. Panik ergriff sie. Die Schwellenkrankheit! Sie wollte etwas erzwingen, wozu sie noch nicht reif war, und die Folgen, die sich daraus ergeben konnten, waren ihr voll bewußt. Es war in zweifacher Hinsicht gefährlich. Zum einen konnte ihr erwachendes Laran jeden Augenblick außer Kontrolle geraten und schwere Schäden, ja vielleicht sogar ihren Tod verursachen. Zum anderen wäre Vardome eine ernsthafte Gefahr, falls er ihre Einmischung in seine Gedanken bemerken sollte.
    Sie ging deshalb bei ihrem nächsten Versuch mit äußerster Vorsicht zu Werk. Auf jeden Fall mußte sie sich vor dem Falkenmeister hüten und durfte ihr Laran nur auf die Falken selbst richten.
    Beim ersten Kontakt erlebte sie ein vorübergehendes Hochgefühl. Einige der Vögel dösten nur auf ihren Stangen, und Romillira überging sie. Dann streiften ihre Gedanken die eines Jungvogels, der ungestüm immer nur nach Freiheit schrie. Auch das konnte ihr nicht weiterhelfen, und so brach sie den Kontakt ab.
    Schließlich konnte sie den Falken ausmachen, den Vardome gerade bearbeitete. Der Vogel schlug in panischer Angst mit den Flügeln, als Vardome versuchte, die unschuldigen Sinne des Tieres mit dem Inbegriff des Bösen zu vergiften. Er projizierte die niedrigsten Gefühle, deren die Menschen fähig sind, auf den Vogel: Haß, Raserei, Rache.
    Die wirkungsvollen Bilder Vardomes drängten sich dem Geist des Falken, und damit auch Romillira, mit unerbittlicher Klarheit auf. Schritt für Schritt, wie in einer gut vorbereiteten Lehrstunde, entfaltete sich so ein Plan des Bösen in jeder Einzelheit.
    Dem verängstigten Falken erschienen Bilder, wie er die MacArans angriff, und verwirrt schrie der Vogel seinen Protest heraus. Oder war es Romillira gewesen, die um Hilfe gerufen hatte? Sie riß sich aus der Gedankenverbindung los, kappte auch noch den letzten Faden des Kontakts – und sank zu Boden.
    Wenig später fand ihre Mutter sie noch immer zitternd am Boden liegen. Ihr Gesicht war leichenblaß und ihre Augen starrten ausdruckslos ins Leere. Mallira rief immer wieder ihren Namen, als sie sich neben ihre Tochter niederkniete und Romilliras Kopf in ihren Schoß bettete. »Lira! Komm zurück, Lira!« rief sie verzweifelt und versuchte dabei, das Kind wachzurütteln.
    Romillira öffnete die Augen, schien aber ihre Mutter kaum wahrzunehmen. Dazu tobten in ihrem Kopf noch zu viele Schreckensbilder, die sie wieder und wieder einzuholen drohten.
    »Meine arme Kleine«, redete ihre Mutter beruhigend auf sie ein. »Warum haben wir bloß nicht an die Schwellenkrankheit gedacht? Kein Wunder, daß du so verwirrt warst. Wir müssen sofort den Turm zu Hali benachrichtigen.«
    Romillira schloß kurz die Augen. »Aber Mutter, es geht doch gar nicht um mich, sondern um den armen, gequälten Falken! Wer hilft ihm? Wie kann er sich gegen solche Geisteskrankheit wehren?«
    »Ganz ruhig, mein Kind. Du bist krank, und nicht der Falke. Das mußt du doch einsehen.«
    »Nein, Mutter, der Falkenmeister ist krank. Sein Geist ist krank, ganz schrecklich krank. Wieso kann das außer mir keiner sehen? Ich kann die armen Vögel doch nicht allein retten!«
    »So, Romillira, das reicht. Für solche Frechheiten gibt es keine Entschuldigung, Schwellenkrankheit hin oder her. Trotzdem wird dein Vater erleichtert sein, wenn er erfährt, woran es gelegen hat.«
    Romillira warf ihrer Mutter nur noch einen verzweifelten Blick zu. Weitere Beteuerungen hatten offenbar keinen Sinn.
    Nach dem Abendessen saß sie in ihrem Zimmer und versuchte sich vorzustellen, warum der Falkenmeister ihre Familie so sehr haßte. Was hatte er vor? Und wieso wollte er die unschuldigen Vögel beeinflussen?
    Laran war eine ganz besondere Gabe, die auch große Verantwortung mit sich brachte. Romillira wußte das; schließlich hatte man sie ihr Leben lang darauf vorbereitet: Verletze niemals die Privatsphäre anderer; setze niemals dein Laran ein, jemandem Schaden zuzufügen; nimm auf die Kopfblinden besondere Rücksicht; Tiere sind ganz besonders zu achten, denn sie sind wahrhaft unschuldig.
    Vardome verstößt

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