Das Wort des Hastur - 12
und schaute Romillira besorgt an. »Du mußt mir eines versprechen, Lira: Überlaß das bitte mir. Wenn es stimmt, was du sagst, dann ist dieser Mann sehr gefährlich. Du mußt dich unbedingt von ihm fernhalten, hörst du!«
Dankbar und erleichtert willigte sie ein.
»So, und nun komm mit mir«, erklärte Mallira. »Wir dürfen deinen Vater nicht länger von seiner Arbeit abhalten.«
Stephan klopfte ihr ermutigend auf die Schulter. »Es kann schon sein, daß wir uns bei dir entschuldigen müssen.«
Zwei Tage lang wartete Romillira geduldig ab, froh darüber, daß die Eltern ihr nicht länger böse waren. Am dritten Tag war es mit ihrer Geduld vorbei. »Wie lange hält Vater denn noch Gerichtssitzung?« fragte sie ihre Mutter. »Und hat er schon in den Aufzeichnungen nach dem Großvater des Falkenmeisters geforscht?« Sie spielte nervös an den Haarbändern und rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her, während Marilla sie kämmte.
»Nein, bisher ist er noch nicht dazu gekommen. Er hat mich nur wissen lassen, daß er noch einige Streitfälle schlichten und einen Wilddieb verurteilen muß. Und dann sollte ich dich noch an dein Versprechen erinnern. «
»Ja, ja«, maulte Romillira. »Wenn nur schon der schreckliche Mann weg wäre.«
»Nur Geduld, mein Kind. Dein Vater ist sich sicher, daß der Mann damit nie durchkommen wird. Und deinem Vater könntest du schon ein bißchen mehr vertrauen. So, und jetzt halte endlich still, damit ich deine Haare richtig bürsten kann.«
»Aber ich habe doch Vertrauen zu Vater. Ich weiß, daß er alles kann. Aber ich weiß auch, daß der Falkenmeister uns allen den Tod wünscht! Und ich weiß, daß die Falken schrecklich unter ihm leiden!«
»So, das wäre geschafft«, meinte Mallira ohne groß darauf einzugehen. Statt dessen gab sie Romillira einen freundlichen Klapps. »Und jetzt kannst du mit Sher rausgehen und etwas spielen. Aber bitte denk an dein Versprechen.«
Sie schaute noch eine Zeit lang zu, wie Romillira und Sher im Gras umhertollten, und machte sich dann wieder an ihre Hausarbeit.
Sher bereitete Romillira nichts als Freude. Der Hund strotzte nur so vor Energie, war neugierig und stets darauf bedacht, seiner jungen Herrin zu gefallen. Wenn Lira den Drynn-Stein fortwarf, rannte Sher ihm hinterher, wenn der Stein plötzlich die Richtung änderte, verlor der Hund ihn aus den Augen und sprang aufgeregt im Kreis umher, bis er ihn wieder auf Lira zukommen sah. Dann hechelte auch er zu ihr zurück und jaulte heftig, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
Während sie noch so spielten, regte sich, fast wie aus eigenem Antrieb, ihr Laran und versuchte, einige Gedankenfetzen aus den Vogelverschlägen aufzufangen. Aber aus dieser Entfernung war das vergeblich. Sie konzentrierte sich noch stärker und legte dabei ihre Stirn in Falten.
»So ein hübsches, junges Gesicht, und schon solche Falten«, hänselte Stephan sie, der plötzlich neben ihr aufgetaucht war und sich seufzend auf einem umgestürzten Baumstamm niederließ. »Es war ein äußerst anstrengender Tag, Lira. Dinge, die zunächst einfach erschienen, erwiesen sich als verwickelte Rechtsfälle.«
»Aber jetzt seid Ihr fertig, ja?« erkundigte Romillira sich eifrig. »Wirst du jetzt mit dem Falkenmeister sprechen und ihn fortschicken?«
»Noch nicht, mein Liebes. Ich hatte noch keine Zeit, die Akten zu studieren. Ich halte es nicht für klug, ihn heute schon damit zu konfrontieren.«
»Bitte, Vater«, drängelte Romillira. »Sonst wird noch irgend etwas fürchterliches passieren. Ich spüre es!«
»Ich muß mich doch erst einmal mit den Tatsachen vertraut machen, bevor ich den Mann zur Rede stelle. Das wirst du doch verstehen, Lira. Schließlich gehört er nicht zu Falconswards Dienerschaft, sondern zu Scathfell. Und wenn ich mit falschen Anschuldigungen komme, wird man mich dafür zur Rechenschaft ziehen. Selbst wenn ich dir voll und ganz glaube, steht immer noch dein Wort gegen seines. Betrachte es einfach als eine kleine Geduldsprobe. Das wird dir bestimmt nicht schaden.«
Er erhob sich und lächelte. »Und uns allen würde es nicht schaden, jetzt einen netten, kleinen Spaziergang zu machen. Was meinst du? Laß uns Mutter holen. Vor dem Abendessen bleibt uns gerade noch genug Zeit.«
Wenig später schlenderten die drei MacArans lachend und scherzend auf dem Gutsgelände von Falconsward umher, wie sie es früher so oft getan hatten, bevor das Lawinenunglück ihr Leben so sehr verändert hatte. Sher folgte
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