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Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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sagte ich, »sie hat mir erzählt, daß sie zusammen mit ihrem Bruder an dem fraglichen Wochenende bei Simon übernachtet hat.«
    In aller Ruhe schaute ich sie, außer Joanna und Hester, einen nach dem anderen an: Simon Minderhout, der am Kopfende des Tisches saß, und die Edersheims, die mich entsetzt ansahen, und Alice, die totenbleich war, und meinen Schwiegervater, der noch immer mit seinem dichtbehaarten Finger über den Rand des Glases strich und ab und an mit einem schwachen Lächeln zu mir aufsah.
    »Meiner Meinung nach«, sagte ich, »ist mein Schwiegervater auf demselben Harwich-Boot nach England geflüchtet. Am 21. Dezember hat er in Rotterdam ein Konzert dirigiert. Er war ganz in der Nähe. Niemand kann mir weismachen, daß er, wo ihr doch alle zusammen an jenem Samstag in der President Steynstraat wart, dort nicht ebenfalls dabei war.«
    »Wir standen dort zufällig...«, sagte Minderhout.
    »Von wegen zufällig«, sagte ich, »ihr hattet eine Verabredung mit Vroombout, ihr wolltet mit ihm über die Briefe reden, die er euch allen geschrieben hatte.«
    »Von wem weißt du das, von Douvetrap?« fragte Minderhout.
    »Nein, das habe ich von Vroombouts Mütter erfahren, als ich bei ihr das Klavier stimmte.«
    »Richtig«, sagte Professor Edersheim, »wir wollten mit ihm über die Briefe sprechen. Er schrieb jedes Jahr um Weihnachten herum einen solchen Brief, und das waren wir langsam leid, und daher wollten wir ihm einen Vergleich vorschlagen.«
    »Aber daraus ist nichts geworden«, sagte ich, »statt eines Vergleichs: Mord.«
    »Als ob wir darüber nicht selbst erschrocken gewesen wären«, sagte Minderhout.
    »Kann sein«, sagte ich, »aber dann doch vor allem, weil Sie wissen, wer den Mord begangen hat.«
    »Wie kommst du darauf, daß ich das wissen müßte?« fragte er leichthin.
    »Weil die Kleider des Mörders bei Ihnen auf dem Dachboden hingen. Ich verstehe übrigens nicht, daß Sie sie nicht sofort weggeworfen haben; wer läßt denn so einfach Beweisstücke auf dem Speicher hängen?«
    »Du hast bei mir auf dem Dachboden herumgeschnüffelt«, sagte er.
    »Ja«,sagte ich.
    »Du enttäuschst mich«, sagte er.
    »Sie enttäuschen mich, daß Sie sich immer noch dumm stellen, wo es Ihnen doch allmählich klarsein müßte, daß ich alles weiß.«
    »Also, deshalb hast du uns alle hierher eingeladen«, sagte er. »Und ich dachte tatsächlich, es sei wegen meines guten alten Freundes Aaron, aber es ging dir allein darum, uns alle auf einmal beieinander zu haben, um uns alles, was du weißt, vor die Füße zu schmeißen.«
    »Warum haben Sie die Kleider nicht vernichtet?« fragte ich.
    Er sah mich lange an, lächelte, antwortete nicht.
    »Gut«, sagte ich, »ich verstehe, daß Sie nichts sagen wollen. Wenn Sie sagen würden: Aus dem oder dem Grund, würden Sie damit auch zugeben, daß Sie darin verwickelt sind, und das wollen Sie demnach immer noch nicht. Und vielleicht waren es auch nicht die Kleider des Mörders, vielleicht waren es einfach nur ein Mantel, ein Hut und ein Schal, die denen glichen, die der Mörder anhatte, aber als ich sie angezogen habe, schaute ich in den Spiegel und sah zum Verwechseln ähnlich aus wie...«
    »Du?« sagte Frau Edersheim. »Wie ist das möglich, du hast doch gar keinen Bart?«
    »Oh, mein Gott«, stöhnte Minderhout.
    »Nein, ich habe keinen Bart«, sagte ich etwas zu triumphierend, »aber der Mann, der Vroombout erschoß, trug einen Hut und hatte einen großen Schal um die untere Hälfte seines Gesichts gebunden. Man konnte gar nicht sehen, daß er einen Bart trug. Aber gut, nun hat endlich eine von euch zugegeben, daß sie all die Zeit hindurch gewußt hat, daß der Mörder einen Bart hatte. Also...«, schloß ich und wies auf den wilden Bart meines Schwiegervaters.
    Lange Zeit war es still auf unserer überdachten Terrasse. Nach einer Weile sagte Minderhout: »Laßt uns von etwas anderem sprechen.«
    »Nein«, sagte ich, »kommt nicht in Frage, ich will nun endlich wissen, warum Vroombout umgebracht worden ist.«
    »Gibt es noch Dessert?« fragte mein Schwiegervater Joanna.
    »Ja«, sagte sie.
    »Dann schlage ich vor«, sagte mein Schwiegervater zu mir, »daß wir nach dem Dessert ein bißchen zusammen Spazierengehen.«
    »Ist mir recht«, sagte ich.
    Professor Edersheim starrte auf seinen inzwischen leeren Teller, sah mich dann an, sagte freundlich: »Damals, als du zu uns kamst und die Pelzmütze trugst... weißt du noch?«
    »Na und ob«, sagte ich.
    »Da dachte ich

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