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Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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einen Moment lang, du wärst Aaron. Wußtest du da schon... oder hast du da die Folgerung gezogen... ich meine...«
    »Davor hatte ich Vermutungen«, sagte ich, »aber damals, an dem Abend, wußte ich es mit Sicherheit.«
    Er sah mich an, zuckte mit den Schultern, schaute dann meinen Schwiegervater an und sagte entschuldigend: »Er sah dir wirklich zum Verwechseln ähnlich.«
    »Kann sein«, sagte mein Schwiegervater.
    Nach Dessert und Kaffee gingen wir zusammen die Auffahrt hinunter. Die Sonne stand niedrig am Himmel, aber die Luft war noch heiß.
    »Wo kann man hier in Ruhe gehen?« fragte er.
    »Auf einer kleinen Insel.«
    »Weit weg?«
    »Ziemlich, aber das macht nichts, wir können zu Fuß hingehen, es ist schönes, ruhiges Wetter.«
    »Ja, es ist ein schöner Sommerabend, das kommt uns zugute.«
    Schweigend gingen wir am Wasser entlang. Auf der Brücke zur Insel, als unsere Schuhe schwer auf die hölzernen Querbalken schlugen, sagte er: »Eines ist mir rätselhaft: Warum hat Simon meine Sachen einfach auf dem Dachboden hängenlassen? Ob er gedacht hat, das sei sicherer als sie wegzuwerfen oder zu verbrennen?«
    »Also waren es Ihre Sachen?«
    »Ja, nachdem... na gut, du verstehst schon... zu Hause bei Simon habe ich schnell alles, was ich trug, ausgezogen und etwas anderes angezogen, das war einfach, ich hatte soviel bei mir, ich wollte... na ja, was hat das damit zu tun. Dadurch sah ich in jedem Fall anders aus. Er würde alles, was mir gehörte, spurlos verschwinden lassen, sagte er. Warum hat er nur... einfach auf dem Dachboden... eigenartig!«
    Wir gingen wieder eine Weile schweigend nebeneinanderher. Schließlich sagte ich: »Wir sind jetzt mitten auf der Insel.«
    »Oh«, sagte er, »du meinst: Fang mal an mit deiner Geschichte. Nun gut, was soll ich nun sagen?«
    »Warum sollte ich bestimmen, was Sie zu erzählen haben?«
    »Mir wäre es lieber gewesen, wenn du es anders angefangen hättest. Nun weiß auch meine Tochter... Oder hast du irgendwann Joanna schon gesagt, was du vermutet hast?«
    »Nein, nie«, sagte ich.
    »Warum nicht?«
    »Weil ich mir nicht sicher war.«
    »Und nun, bist du dir dessen nun wirklich sicher?«
    »Ja.«
    »Und warum bist du dir nun wirklich dessen sicher?«
    »Wegen der Bemerkung über den Bart.«
    »Das sagt doch überhaupt nichts. Wie viele Männer tragen einen Bart, diese Bemerkung bedeutet noch längst nicht, daß ich der Mörder war. Außerdem, und darüber denke einmal gut nach, außerdem, Sohntje: Ich trug damals gar keinen Bart. Darin irrte Anna Edersheim sich gewaltig. Den Bart habe ich mir erst danach stehen lassen, um nicht erkannt zu werden. Und das funktionierte auch, denn als du mich wiedersahst, hast du mich nicht erkannt.»
    »Sie wiedersah?«
    »Ja, im Zug.«
    »Im Zug?«
    »Weißt du das nicht mehr? Simon erschrak zu Tode, ich allerdings nicht, ich wußte, daß du mich nicht erkannt hattest, aber ich erkannte dich sehr wohl. An einem Spätnachmittag, ein trüber Tag, dunkles Wetter, die Lampen im Zug brannten schon.«
    »Sie... ja, oh, was bin ich für ein Trottel, ja, natürlich... daher hatte ich auch immer, wenn ich ein Porträt von Ihnen sah, das Gefühl: Diesen Mann habe ich schon einmal gesehen.«
    »Hattest du auch, damals im Zug.«
    Wieder gingen wir schweigend eine Weile nebeneinanderher. Dann sagte er: »Wenn ich jetzt sage, daß ich es nicht getan habe, was sagst du dann?«
    »Daß Sie lügen.«
    »Und doch trug ich damals keinen Bart, wo bleibt also dein Beweis?«
    »Hören Sie, Sie waren auch dort, das steht nun fest, und daß Sie damals noch keinen Bart trugen, ändert gar nichts«, sagte ich. »Als Sie heute nachmittag so von oben herab auf mich heruntersahen, lauerten Sie... Sie schauten... Sie schauten... ja, verdammt noch mal, ich kann nicht die richtigen Worte dafür finden, wie Sie schauten, aber dieser Blick... es war derselbe Blick wie an dem Samstag nachmittag, derselbe Blick... und da wußte ich es mit Sicherheit. «
    »Also, nun übertreibe mal nicht, du warst vollkommen benommen, du hast mich nicht einmal begrüßt. Was würde eine Jury... Warte, ihr habt hier in Holland keine Jurys, na gut, ein Richter also... Du würdest mit deinen Beweisen keinen großen Eindruck auf einen Richter machen. Ein Bart, ein Blick, Kleider von einem Schnitt, wie sie alle Männer damals trugen, und weiter... weiter nichts... nicht den geringsten Beweis.«
    »Nein«, sagte ich, »und doch bin ich mir sicher, daß Sie der Mann waren, der hinter mir stand,

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