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Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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habe, der sich in meine Arbeit einmischte. Ob er an meinem Rücken oder an meiner Haltung abgelesen hat, wenn ich mit einem Ton nicht zufrieden war? Oder ob er es hat riechen können? Aber Hunde sind doch nicht musikalisch? Begreifen kann ich das immer noch nicht, ich weiß aber, daß ich, obwohl ich keine so große Angst hatte wie vor Gott, der uns zu töten sucht, dennoch beim Stimmen schweißige Hände bekam, und daß ich viel länger gebraucht habe als für jeden anderen Flügel und jedes andere Klavier, wobei man das Instrument kaum verstimmt nennen konnte. Ich verstand auch nicht, daß die alte Dame mich die ganze Zeit mit dem Hund allein ließ und nicht den versprochenen Kaffee brachte.
    Nach dem letzten C stand ich auf. Ich setzte alle Holzteile, die ich herausgenommen hatte, wieder ein. Wo blieb um Gottes willen die Witwe? Um sie darauf aufmerksam zu machen, daß ich ihren Blüthner fertiggestimmt hatte, spielte ich eine Sonate von Scarlatti. Nach dem Schlußakkord wollte ich den Deckel des Instruments schließen. Bevor ich dazu kam, stand der Hund wieder aufrecht hinter mir, diesma l drohend mit beiden Pfoten auf meinen Schultern.
    »Geh doch weg«, sagte ich.
    Der Hund knurrte. Seine lange Zunge leckte meinen Nacken.
    »Bitte, geh doch weg!« sagte ich und setzte mich wieder auf den Klavierhocker und spielte noch eine Sonate von Scarlatti.
    Der Bouvier legte sich, den Kopf auf den Vorderpfoten, neben das Klavier und linste ab und an zu mir herüber. Offenbar wollte er, daß ich weiterspielte. Bei einer Bagatelle von Beethoven begann er, wild zu bellen. Ich hörte mitten im Takt auf und ging wieder zu Domenico Scarlatti über, spielte Non presto, ma a tempo di ballo, Longo 463. Hinter mir erklang befriedigtes Knurren.
    Nach fünf von dem Hund gebilligten Scarlatti-Sonaten kam die alte Dame mit zwei Tassen Kaffee herein.
    »Sind Sie fertig?« fragte sie.
    »Ja«, sagte ich.
    »Darf ich ihn ausprobieren?«
    »Natürlich«, sagte ich und stand erleichtert vom Klavierhocker auf. Sofort fing der Hund wieder an laut zu bellen.
    »Aus, Barra, aus!« sagte die alte Dame.
    Sie setzte sich und spielte mit steifen Fingern einen Choral. Mit bebender Stimme sang sie die erste Zeile dazu: »Gott nur vertrau' ich...« Dann übermannte sie ihr Gefühl. Ich hörte sie schlucken und sah, wie das feine Netz aus Runzeln und Falten auf ihrem Gesicht und an ihrem Hals in Bewegung geriet. Sie spielte zwar weiter, sang aber nicht mehr dazu. Nach dem Choral stand sie auf, sie stellte den Kaffee vor mich auf den Tisch und sagte: »Das habe ich gespielt, als sie unser Gehöft in Brand stecken wollten.«
    Abwartend schaute sie mich an. Was wollte sie? Sollte ich eine Frage stellen? Vorsichtig trank ich den dünnen Kaffee, und ich hörte, wie der Hund schon wieder knurrte.
    »Barra, laß das!«
    Sie blickte mich an. Sie sagte: »Ja, sie kamen mit Strohballen herein und riefen, daß wir das Haus verlassen sollten, und da habe ich mich ans Klavier gesetzt und habe: ›Gott nur vertrau' ich‹ gespielt, und sie riefen, daß ich aufhören sollte, und ich spielte einfach weiter, und da haben sie brav gewartet, bis ich fertig war. Ja, sie haben gewartet, o ja, es waren Gentlemen, man denke nur, und dann haben sie unser Gehöft in Brand gesteckt, und sie haben unsere Schafe ins Gras getrieben... in ganz hohes Gras... knochentrockenes Gras... und dann das Gras in Brand gesteckt. Und dann haben wir eine Weile in einer Höhle am Fluß gewohnt, und nach einer ganzen Zeit kamen sie wieder, und dann haben sie uns in ein Konzentrationslager gebracht, und da sind alle meine Brüder und Schwestern gestorben... sechs Brüder... vier Schwestern, und da erfuhren wir auch, daß mein Vater gefallen war. Und als der Krieg vorbei war, war niemand von unserer Familie übriggeblieben außer meiner Mutter und mir, und da hat meine Mutter einen Holländer geheiratet, der sich als Freiwilliger zum Krieg gemeldet hatte, und dann sind wir mit ihm in die Niederlande gegangen. So ist das alles gewesen, und ich hatte damals noch ein kleines Hündchen, ein kleines Hündchen hatte ich, und wir waren schon alle draußen, und unser Hof stand schon in Flammen, als ich auf einmal daran dachte, daß mein Hündchen noch drinnen war... mein Hündchen war noch drinnen... es war noch so jung, so jung, es lief mir überall nach, es war mein Hündchen, mein Hündchen...«
    Sie strich eine Weile mit ihrer kleinen weißen rechten Hand über das krause Haar ihres Hundes. Der Bouvier

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