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Das Wüten der ganzen Welt

Das Wüten der ganzen Welt

Titel: Das Wüten der ganzen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maarten 't Hart
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nicht den Kopf.«
    »Vroombout?« fragte ich.
    »Ja, die Witwe Vroombout«, sagte der Klavierstimmer.
    »Dann geben Sie mir mal die Adresse«, sagte ich zu Goldschmeding.
    Als ich am nächsten Tag dorthin fuhr, wußte ich bereits von meinem Vater, daß die Witwe Vroombout, auch wenn sie jetzt in Vlaardingen wohnte, die Mutter von Arend Vroombout war. »Welch ein Glücksfall«, redete ich mir unterwegs wider besseres Wissen ein, während eine steife Brise direkt vom Meer herüber wehte und meine Fahrt zu einem reinen Vergnügen machte, da ich den Wind im Rücken hatte.
    Die Witwe wohnte an der Westhavenkade. Noch bevor ich klingelte, begann im Haus ein Hund ohrenbetäubend zu bellen. Die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet. Mißtrauisch schaute mich eine kleine, verwitterte, uralte Dame an.
    »Der Klavierstimmer«, sagte ich.
    »Sie? Glaube ich nicht. Ich habe Sie noch nie gesehen.«
    »Mijnheer Goldschmeding schickt mich.«
    »Wie heißen Sie?«
    »Goudveyl«, sagte ich, »Alexander Goudveyl.«
    »Dann warten Sie einen Augenblick, Mijnheer Goudvuil, dann werde ich Goldschmeding anrufen, um zu fragen, wie das Jüngelchen heißt, das er mir nun wieder auf den Hals geschickt hat.«
    Sie schloß die Tür. Der Hund bellte wütend. Lange starrte ich die Haustür an. Ein Namensschild fehlte. Der Hund war still, die Tür ging wieder auf.
    »Es ist in Ordnung«, sagte die alte Dame.
    Sie öffnete die Haustür. Als ic h hineinging, schoß aus dem dunklen Flur ein riesiger Bouvier hervor, einer mit langem Schwanz, also wohl kaum rasserein.
    »Aus, Barra, aus!« rief die alte Dame.
    Die alte Dame ging voraus, ich ging hinter ihr her, knurrend folgte mir der Hund, und so erreichten wir das große Wohnzimmer, wo gleich neben dem Fenster ein Blüthner prangte. Es war nicht mein geliebter Blüthner, das sah ich sofort, aber ein Instrument, das vielleicht sogar noch älter war als seine Besitzerin.
    »Soll ich Ihnen eine Tasse Kaffee machen, Mijnheer Goudvuil?«
    »Gern, Mevrouw«, sagte ich.
    Sie ließ mich mit dem Bouvier allein, der alle meine Bewegungen mißtrauisch verfolgte. Er knurrte, als ich den Klavierdeckel hochklappte. Er bellte, als ich ein paar Tasten anschlug. Offensichtlich von dem Gebell alarmiert, kehrte die alte Dame zurück und sagte: »Still doch, ist ja nichts, leg dich hin, ist ja gut.«
    Zu mir sagte sie: »Sie brauchen keine Angst vor dem Hund zu haben, er ist sehr wachsam, aber wenn Sie sich anständig benehmen, wird er bestimmt nicht beißen.«
    Sie ging wieder, und ich deckte vorsichtig den Blüthner ab. Das Instrument war, das war leicht festzustellen, kaum verstimmt. Vor allem brauchte an den tiefen und hohen Tönen kaum etwas getan zu werden. Nur das tiefe B war ein Problem, ich drehte und horchte, versuchte, ein paar leise Schwingungen wegzubekommen, und beschloß, als das nicht glückte, das B zu lassen, wie es war. In dem Augenblick jedoch tippte mir jemand auf die Schulter. Aus meiner Konzentration hochgeschreckt, ich blickte ich m erstaunt nach demjenigen um, der mir zwar gutmütig, aber doch recht eindringlich auf die Schulter getippt hatte. Hinter mir stand aufrecht, die linke Vorderpfote auf die Lehne eines niedrigen Sessels gestützt, mit heftig wedelndem Schwanz der Bouvier. Mit seiner freien rechten Vorderpfote tippte er mir nochmals auf die Schulter. Dann ließ er seine Pfote auf meiner Schulter ruhen. So saß ich da, sah mich um, während der Bouvier auf dem Sessel und auf meiner Schulter ruhte und ich seinen heißen Atem spürte. Wie er so dastand und mich ansah, konnte ich seinen Blick nur auf eine einzige Art interpretieren. Offenbar war er nicht damit einverstanden, daß ich nicht versuchte, das B sauber zu stimmen. Ich schlug es erneut an, drehte, und der Hund schnaubte und nahm seine Vorderpfote von meiner Schulter. Völlig sauber bekam ich das B nicht, aber, wie es schien, sauber genug. Der Bouvier, der ein kurzes Bellen hören ließ, konnte sich offenbar damit abfinden, daß ich schließlich zum H überging. Bei den höheren Tönen, bei einem lästigen Des, stand er plötzlich wieder mit wedelndem Schwanz hinter mir, aber danach beschränkte er sich auf ein deutliches Knurren, wenn er nicht damit einverstanden war, daß ich zum nächsten Ton überging. Dann drehte ich den Stimmschlüssel so lange, bis ich das kurze Blaffen hinter mir hörte. Sogar jetzt, fast dreißig Jahre später, kann ich kaum glauben, daß ich damals wirklich einen Blüthner in Gegenwart eines Bouvier gestimmt

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