Das Wunder der Dankbarkeit
anderen bewusst etwas Gutes zu tun, kannst du in ganz vielen Situationen bekommen. Du musst nur hin und wieder über deinen Schatten springen. Überlege doch mal, womit du jemandem eine echte Freude machen könntest – obwohl es für dich zunächst ein Opfer bedeutet. Ich denke da an einen Besuch der alten Tante im Pflegeheim, vor dem du dich schon lange drückst, oder eine andere uneigennützige Tat. Das Erstaunliche daran ist, dass es uns hinterher richtig gut geht. Der andere ist uns in solchen Momenten oft wirklich dankbar, und auch wir selbst empfinden dabei große Befriedigung. Von Abraham Lincoln stammt der Satz: „Wenn ich Gutes tue, fühle ich mich gut. Wenn ich Schlechtes tue, fühle ich mich schlecht. Das ist meine ganze Religion.“ So ist es ja auch mit dem Schenken. Oft macht es dem Schenkenden selbst noch mehr Freude als dem Beschenkten.
Meine Frau Bärbel war so eine. Sie hatte große Freude am Schenken. Es gab eine ganze Ecke in unserem Haus, in der sie Geschenke für jeden Anlass bereithielt. Meist waren alle Weihnachtsgeschenke schon im Sommer besorgt. Dabei hatte sie ein echtes Händchen dafür, etwas zu schenken, was dem anderen wirklich Freude bereitete, aber kein Nullachtfünfzehn-Geschenk, sondern etwas Ausgefallenes oder Verrücktes, jedenfalls Unverwechselbares, bei dem man noch Jahre später dachte: Ja, genau, das hat mir Bärbel damals geschenkt.
Kurze Zeit nach Bärbels Tod stand Weihnachten vor der Tür. Aber ich brauchte mich nicht um Geschenke zu kümmern; die lagen schon bereit. Für mich hatte sie eine Kapuzenjacke ausgewählt, die mir ganz besonders wichtig geworden ist. Ich trage sie auch jetzt, beim Schreiben. Ganz oft trage ich sie, einfach nur, weil ich dann das Gefühl habe, Bärbel wäre ein Stück weit noch da und wärmte mich in Form dieser Jacke. Für dieses letzte Geschenk bin ich ihr ganz besonders dankbar.
Das Genie im anderen erkennen
Eine besonders schöne Art, einem anderen Menschen etwas zu geben, ist es, seine positiven Eigenschaften zu entdecken und sie ihm mitzuteilen. Dazu dient das „Genieerkennungsspiel“. Wir haben es oft im Lebensfreude-Seminar in einem Kreis von 15 bis 20 Leuten gemacht. Am besten kennen sich die Teilnehmer noch gar nicht, denn es ist oft leichter, das Genie in einer völlig unbekannten Person zu erkennen, über die man noch keine vorgefasste Meinung hat, als bei Bekannten oder gar bei sich selbst.
Jeder Mitspieler hat viele kleine Zettelchen in der Hand und einen Stift. Dann ist das „erste Genie“ dran. Es bleibt einfach im Kreis sitzen und stellt sich mit seinem Namen vor. Sonst tut es nichts. Die anderen Teilnehmer versuchen nun, mit viel Einfühlungsvermögen, das Genie in ihm zu erkennen: Wo liegt sein Potenzial? Was kann diese Person besonders gut? Dazu macht man sich dann kurze Notizen auf einem der Zettel. Es können sowohl Eigenschaften aufgeschrieben werden wie „kinderlieb“, „naturverbunden“, „schenkt Geborgenheit“, als auch mögliche Berufe, die besonders gut zu diesem Menschen passen würden. Wichtig ist, nicht lange nachzudenken, sondern gleich die ersten Ideen, die man bekommt, einfach aufzuschreiben. Nach wenigen Minuten werden die Zettel dann eingesammelt und mit der Schrift nach unten vor das betreffende Genie gelegt. Dann kommt das nächste Genie dran. Gelesen werden darf die Sammlung verborgener Talente erst, wenn alle Mitspieler so einen Stapel vor sich liegen haben.
Sind alle Genies der Gruppe begutachtet worden, darf jeder seinen Stapel Zettel lesen. Eine Feedbackrunde kann das Ganze vervollständigen. Jeder darf berichten, was er derzeit im Leben wirklich macht und wie ihm die Zettel gefallen haben.
Schlummernde Talente
Bei dem Genieerkennungsspiel treten mehrere Effekte gleichzeitig auf. Erstens übt man sich ohne Leistungsdruck – denn am Ende weiß ja niemand, von wem welcher Zettel stammt –, seine Intuition und sein Einfühlungsvermögen einzusetzen. Zudem gibt man dem anderen Impulse, wo vielleicht noch unentdeckte Talente schlummern, an die er noch gar nicht gedacht hat. Und außerdem ist nach so einem Spiel die Stimmung in der Gruppe bestens. Da wird dann gekichert und geblödelt, alle sind offen, und es kommt eine kindlich unbefangene Atmosphäre auf, in der jeder gern auf den anderen zugeht.
Ein Teilnehmer hat mir verraten, dass er seinen „genialen“ Stapel aus dem Genieerkennungsspiel immer griffbereit im Nachtkästchen liegen hat. Wenn er auf schlechte Gedanken kommt, liest
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