Das Wunder der Liebe
Lehrerin.
Es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass er auf der High School gewesen war lind diese Bücher gelesen hatte. Damals hatte er. es kaum erwarten können, endlich von zu Hause fortzugehen. Wenn er zu jener Zeit gewusst hätte, was er heute wusste, hätte er es damals nicht so eilig gehabt, sich so hastig in die Zukunft zu stürzen.
“Die Platzdeckchen befinden sich im Flurschrank”, rief Wren vom Türbogen aus zu ihm hinüber. “Würde es Ihnen etwas ausmachen, Sie aufzulegen?”
Keegan schüttelte den Kopf und lief hinaus in den Flur. Er versuchte, so schweigsam wie möglich zu sein. Wenn er nichts sagte, war das Risiko kleiner, dass er ihr doch noch sein Herz ausschüttete. Obwohl er nicht über seine Vergangenheit sprechen wollte, machte es ihm Wren doch schwerer und schwerer, den Mund zu halten. Wie gern würde er ihr sein Verhalten ihr gegenüber erklären, wie gern hätte er ihr gesagt, dass sein Zorn, seine Aggressionen auf keinen Fall gegen sie gerichtet waren. Aber er konnte es sich einfach nicht erlauben, seine Gefühle dieser Frau gegenüber zu offenbaren und sie in seine dunklen Pläne einzuweihen.
Er legte die Platzdeckchen auf, nahm dann die Fernbedienung in die Hand und schaltete das Fernsehen ein. Die achtzehn-Uhr-Nachrichten hatten gerade begonnen.
“Hey, Jungs und Mädchen”, rief der Sprecher fröhlich. “Wir haben gerade eine Nachricht erhalten, dass Santa Claus im Norden von Texas gesichtet worden ist.”
Die Erinnerung an die Vergangenheit stieg in ihm auf und stach ihm wie mit einem Dolch mitten in sein Herz. Es schmerzte wahnsinnig. Keegan presste die Lippen zusammen, als Trauer ihn überwältigen wollte. Bilder von der letzten Weihnacht, die er mit Maggie und Katie verbracht hatte, stiegen in ihm auf.
Seine Tochter war damals drei Jahre alt gewesen, alt genug, um die Legende vom Weihnachtsmann so richtig zu genießen.
Sie war an Heilig Abend so aufgeregt gewesen, dass sie unaufhörlich plapperte und herumgesprungen war. Immer noch sah er ihre hübschen blauen Augen vor sich, die vor Erregung glänzten, ihr süßes Lächeln und ihr seidiges blondes Haar.
Der Sprecher redete immer noch von Weihnachten, von Santa Claus und von Rentieren, aber Keegan hörte seine Worte nur noch wie aus weiter Ferne. Keegan hatte das Gefühl, als würde er sich durch einen langen, dunklen Tunnel bewegen und bald in einen bodenlosen Abgrund fallen. Mit letzter Kraft griff er mit zitternder Hand nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.
Schweißperlen standen auf seiner Stirn, und sein Atem ging schwer. War das Fieber zurückgekehrt?
“Keegan?”
Er schaute zu Wren auf, die jetzt vor ihm stand.
“Ist alles in Ordnung?”
“Ja.”
Sie sah ihn besorgt an. “Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich den Wetterbericht einschalte?”
Er schüttelte den Kopf.
“Sind Sie ganz sicher, dass es Ihnen gut geht?”
Keegan nickte nur mit dem Kopf und schaltete den Fernseher wieder an.
“Leute, das wird ein Bilderbuchweihnachten”, verkündete der Wettermann gerade freudig. “Wir erwarten zehn bis zwanzig Zentimeter Schnee bis morgen früh. Ja, Sie haben richtig gehört.
Zum ersten Mal seit 1934 werden wir im Norden von Texas weiße Weihnachten haben.”
Wren klatschte in die Hände und quietschte vor Aufregung, wie Katie es getan haben könnte. “Weiße Weihnachten. Ist das nicht wundervoll?”
Keegan zuckte die Schultern. Er kam aus Chicago. Da waren weiße Weihnachten nichts Besonderes.
“Das ist einfach großartig”, rief Wren unbekümmert. Ihre Augen glitzerten vor Freude, und auf ihrem Gesicht lag ein strahlendes Lächeln. Ein sanftes Rosa lag auf ihren Wangen, und er bemerkte mit Erstaunen, dass sie heute Abend ein leichtes Make-up aufgelegt hatte. Sie wirkte anders als zuvor.
Irgendwie glücklicher.
“Ich bin froh, dass Sie Weihnachten mit mir verbringen”, sagte sie spontan. Sie klang so positiv, so überzeugend. Meinte sie das, was sie sagte, wirklich ehrlich? Genoss sie seine Gesellschaft tatsächlich?
“Es muss Ihnen wirklich ziemlich schlecht gehen, Wren, wenn Sie froh über die Gesellschaft eines heruntergekommenen Landstreichers sind.”
“Sie gehen viel zu hart mit sich ins Gericht.”
“Sie kennen mich ja noch nicht einmal”, warf er ihr vor. “Ich könnte ein Mörder sein, der aus dem Gefängnis geflohen ist.”
Das stimmte. Genauso gut hätte auch Connor Heller vor ihrer Tür auftauchen können. Vielleicht war es sogar Heller, der sich in
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