Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)
die sich sehr nahestanden. Dann tauchte Tucker Devlin auf, und plötzlich kämpften die zwei um seine Zuneigung. Er verschwand im August, als die Mädchen sich wieder annäherten und den Klub gründeten.«
Paxton rieb sich die Stirn. Warum war das alles nur so einleuchtend? »Bitte behalte diese Theorie für dich. Ich habe den Klub momentan ohnehin nicht besonders gut im Griff.«
»Ich dachte, das hätten wir schon geklärt. Ich werde niemandem davon erzählen«, erwiderte Willa. »Möchtest du etwas trinken?«
»Ja, bitte«, sagte Paxton. »Sehr gern.«
Als Willa in die Küche ging, nahm Paxton auf der Couch Platz und versuchte, nicht daran zu denken, wie schlecht sie sich beim letzten Mal hier gefühlt hatte. Als sie die Bulletinausdrucke zu den anderen Unterlagen auf den Couchtisch legte, fiel ihr ein Album auf, auf dem ein einzelnes Foto lag. Sie nahm es und betrachtete es. Er sah wirklich attraktiv aus auf diesem Bild – ein Mann mit einem umwerfenden Lächeln. Warum hätte ihre Großmutter ihn umbringen sollen?
Willa kehrte mit zwei Flaschen Eistee zurück und reichte Paxton eine davon. »Tucker Devlin sah echt gut aus«, sagte Paxton. »Ich könnte es verstehen, wenn sich unsere Großmütter in ihn verliebt hätten.«
Willa wirkte verwirrt. »Das ist nicht Tucker Devlin, sondern eine alte Aufnahme von meinem Vater, die ich in dem Album gefunden habe. Ich bin noch am Überlegen, ob ich sie wieder zurücklegen soll oder nicht.«
Paxton betrachtete die Aufnahme noch einmal genauer. »Wie bitte?«
»Das ist ein Foto meines Vaters.«
»Wirklich? Er sieht genauso aus wie Tucker Devlin.«
Willa stellte ihre Flasche ab, nahm Paxton das Foto aus der Hand und starrte es lange an. Dann suchte sie den Bulletinausdruck heraus und verglich die beiden Aufnahmen. Schließlich sank sie völlig erschöpft von der Erkenntnis neben Paxton auf die Couch. »O Gott, ich habe so sehr versucht, es nicht zu glauben.«
Sekunden später begriff es auch Paxton. Georgie Jackson war schwanger gewesen, als ihre Familie das Madam verlor. Das hatten alle gewusst. Aber niemand wusste, wer der Vater war. Jetzt war es klar.
Darum ging es – das war es, was alles auf den Kopf stellte. Es war nicht nur Paxtons Geschichte, die Geschichte, die sie liebte und mit aller Kraft zu bewahren versuchte, weil sie ihr ein immens starkes Zugehörigkeitsgefühl verlieh. Es war auch Willas Geschichte, und auf irgendeine Weise standen sie miteinander in Verbindung. Die Entdeckung, dass Tucker Devlin womöglich Willas Großvater war, war zu offensichtlich, um sie zu ignorieren. Willa musste erfahren, was in ihrer Familie geschehen war, selbst wenn sich dadurch Paxtons Einstellung zu ihrer Familie veränderte.
»Ich glaube, wir müssen mit Nana Osgood reden«, sagte Paxton.
Agatha saß auf dem kleinen Sofa in ihrem Zimmer und ließ den Sonnenuntergang auf sich wirken. Sie konnte die Sonne nicht sehen, aber fühlen. Sie spürte, wie die Wärme auf ihrem Gesicht allmählich zunahm. In der Luft lag ein schwacher Duft von Pfirsichen, aber das machte ihr keine Angst. Sie war froh, dass Georgie jetzt nicht mehr so klar im Kopf war, um ihn wahrzunehmen.
Sie wollte an diesem Abend nicht im Speisesaal essen und hatte darum gebeten, ihr das Essen aufs Zimmer zu bringen. Im Grunde aß sie lieber allein. Es war ihr einziges Vergnügen. Sich hier unter die Leute zu begeben lag ihr fern. Sie war viel zu alt, um neue Freundschaften zu schließen. Keiner verstand sie mehr.
Sie war nicht deprimiert, das war sie nie gewesen. Dafür war sie viel zu selbstbeherrscht. Das hieß aber nicht, dass ihr die gegenwärtigen Umstände gefielen. Vor allem nachdem sie vom Madam und von der Entdeckung von Tucker Devlins sterblichen Überresten erfahren hatte, weilte sie in Gedanken immer mehr in der Vergangenheit.
»Nana Osgood?« Paxtons Stimme erklang an der Türschwelle.
»Paxton, was machst du denn hier? Du hast deinen Bruder verpasst, den Baumjungen. Er hat mich endlich mal besucht und mir Schokolade mitgebracht. Was hast du dabei?«
»Willa Jackson«, antwortete Paxton und trat ein. Agatha hörte, dass jemand ihr folgte.
»Hallo, Mrs Osgood«, sagte Willa. Willa war ein eigenartiges Kind gewesen. Nicht böse, nicht hinterhältig, aber trotzdem seltsam. Agatha hatte das immer bemerkt, und Georgie ebenfalls. Aber wie bei Ham war Georgie überzeugt gewesen, dass sie jedes widerspenstige Haar, das sie an Tucker Devlin erinnerte, ausrupfen und dafür sorgen konnte, dass
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