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Das Wunder von Treviso

Das Wunder von Treviso

Titel: Das Wunder von Treviso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Falk
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übersetzte. Tarja schrieb nämlich auf Englisch.
    «Amsterdam. Das hat mich nie gereizt», sagte Massimo nun. «Du weißt ja, was man über Amsterdam sagt.» Er blickte zu Giorgio hinüber.
    «Nein, was sagt man über Amsterdam?»
    «Es soll das Venedig des Nordens sein. Wir wohnen nur gut 76   Kilometer vom echten Venedig entfernt. Da fragt man sich doch: Was soll ich mit der billigen Kopie, wo ich das Original schon kenne? Und siehst du, da steht es: Sie vermisst Italien! Na, da frag ich mich doch, wieso ist sie nicht gleich hiergeblieben?»
    Darauf wusste Giorgio nichts zu erwidern, bestellte nur einen weiteren Magenbitter und sehnte still die Klimakatastrophe herbei, damit Amsterdam bald untergehen würde.

20
    «Ein Alkoholiker? Nein, das glaube ich nicht.» Ernesto Brasini schüttelte den Kopf. Das konnte nicht sein. Gut, er hatte seinem Hund Nebbiolo immer gerne ein bisschen von seinem Rotwein abgegeben, meistens am Abend und damit er aufhörte zu heulen, aber dass man davon gleich süchtig werden konnte, das glaubte Ernesto eigentlich nicht. Doch Doktor Lorenzo blieb bei seiner Diagnose.
    «Nebbiolo ist Alkoholiker! Um genauer zu sein: Er säuft den Wein wie Wasser, und es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch unter uns weilt.
Die
Leberwerte möchte ich gar nicht kennen.»
    «Nun, Dottore», erwiderte Ernesto, «das fällt jawohl auch nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich. Oder befassen Sie sich jetzt auch schon mit Hunden?» Doktor Lorenzo verneinte dies, blieb jedoch standhaft bei seinem Urteil über Nebbiolo, den alten Schäferhund-Mischling von Ernesto Brasini, der über die Jahre eine etwas unnatürliche Liebe zum Rotwein entwickelt hatte. Nebbiolo, der an und für sich ein sehr freundliches Wesen besaß, konnte mit seinem Gebell schon mal Tote erwecken, so sagte man. Doch die Zeiten waren lange vorbei, denn die meiste Zeit des Tages schlief Nebbiolo seinen Rausch aus.
    Was war also in jener Nacht von Mittwoch auf Donnerstag geschehen? Heimlich hatte sich Maria mit ihrem Bruder in den alten Schuppen von Ernesto Brasini geschlichen und die Madonnenstatue wieder hervorgeholt, um sie dann gemeinsam an der Bushaltestelle der Linie 174 abzustellen. Luigi, der die Haltestelle von einem kleinen Flurfenster im ersten Stock über seinem Friseurladen aus beobachten konnte, hielt die ganze Nacht über Wache, damit die Madonna nicht gestohlen wurde. Es war geplant, dass die morgendlichen Pendler nach Castello auf das gute Stück aufmerksam wurden. Somit hätte man erfolgreich den Erpressungsversuch vereitelt. Was sie dann mit dem vatikanischen Abgesandten machen sollten, darüber würden sie erst morgen nachdenken.
    Gegen fünf Uhr früh musste Luigi eingeschlafen sein, denn er wurde jäh durch das laute Kläffen eines Hundes aus seinem Dämmerzustand gerissen und konnteanschließend bezeugen, dass Nebbiolo, der Schäferhund-Mischling von Ernesto Brasini, versucht hatte, die Madonna von Treviso zu besteigen. Offensichtlich hatte der Rotwein, der ja immer noch in der Madonna versteckt war und bei Bedarf für deren blutrote Tränen sorgte, den Hund vollkommen verrückt spielen lassen. Nebbiolo hatte sein geliebtes Gesöff im Bauch der Madonna gerochen und hätte das gutriechende Stück Holz auch zerbissen, um an den Wein zu gelangen. So hatte Ernesto größte Mühe, seinen Hund davon abzuhalten, der Madonna Schaden zuzufügen. Schließlich gelang es ihm, Nebbiolo am Bushalteschild festzubinden und die Madonna an sich zu nehmen.
    Nur eine Stunde später prostete man sich bei Massimo zu und gratulierte sich zur Wiederauffindung des örtlichen Heiligtums. Man klopfte Ernesto auf den Rücken, der Bürgermeister spendierte eine Runde nach der anderen, und Nebbiolo bekam einen ganzen Napf voll mit verdünntem Wein. Der Hund hatte noch am nächsten Tag eine Schlagseite.
    Die Madonna kehrte in ihre Nische in der Kirche Santa Maria degli Angeli zurück, und das ganze Dorf wusste nun über die Beschaffenheit ihrer blutroten Tränen Bescheid, die aus nichts anderem als billigem Rotwein bestehen konnten. Der Hund von Ernesto Brasini hatte es bewiesen. Weil aber jeder in Treviso ein Interesse daran hatte, dieses «Geheimnis» zu hüten, schwor man sich, es keinem Außenstehenden zu verraten.

21
    Vito war unendlich erleichtert, dass er die dreizehn Kisten mit Aufklebern und Wimpeln der weinenden Madonna nun doch nicht umsonst bestellt hatte. Nach wie vor strömten die Pilger in seinen Laden, nach der Rückkehr der Statue waren

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