Das Wunder von Treviso
Wir sind sie los, und der Vatikan kann uns mal kreuzweise.»
Salvatore sah seinen Freund streng an. «Und ob das einen Unterschied macht! Wenn die Madonna entführt worden wäre, dann hätten die Entführer sie sich bestimmt genauer angeschaut und schnell gemerkt, dass die Statue präpariert ist. Was glaubst du, was dann passiert wäre? Sie hätten sie aufgebrochen und im Inneren der Madonna die kleine Pumpe mit der Aufschrift ‹Salvatore Tarlo, Schnitzerei, Treviso, Italia› entdeckt.»
Don Antonio war fassungslos. «Bist du total von Sinnen? Du hast die Pumpe mit deinem Namen versehen?»
«Es war keine Absicht. Ich verwende diese Minipumpen für die Zimmerbrunnen, die ich ab und zu verkaufe, und muss vergessen haben, den Aufkleber abzumachen, bevor ich sie eingebaut habe. Das ist mir Sonntagnacht eingefallen.»
«Na, dann kannst du ja froh sein, dass die Madonna unauffindbar in Ernestos altem Schuppen lagert, denn wenn man sie wirklich entführt hätte, wäre das für einen von uns ziemlich schlecht ausgegangen.»
Doch Salvatore überhörte die Drohung seines Freundes und begann zu kichern. «In Ernestos Schuppen, oh, aha, also in diesem Schuppen habe ich damals mit meiner Frau, als wir noch nicht verheiratet waren, also, na ja … Der Schuppen hat Geschichte!»
«Das will ich gar nicht so genau wissen. Aber du kannst ganz beruhigt sein, ich habe alles im Griff.»
Hätte Don Antonio gewusst, was Ernesto Brasini seinem alten Schäferhund-Mischling vorzugsweise zu trinken vorsetzte, wäre er vielleicht nicht so selbstsicher gewesen. Bis es jedoch zu einer Begegnung zwischen Ernesto Brasinis Hund und der weinenden Madonna von Treviso kam, passierte noch etwas anderes. Diesmal bekam der Bürgermeister Post.
17
An die Bewohner Trevisos!
Wir haben Eure Madonna! Wenn Ihr sie zurückwollt, dann kostet Euch das 50 000 Euro. Der Bürgermeister legt das Geld am nächsten Donnerstag um 7.30 Uhr in einer Plastiktüte in den Abfalleimer der Linie 174, Richtung Castello della Libertà, und steigt an der Station Treviso/Römerstraße wieder aus. Im nächsten Bus findet Ihr die Madonna im selben Abfalleimer. Keine Polizei! Sonst verbrennen wir das Miststück!
Der Brief war in Castello della Libertà aufgegeben worden, wahrscheinlich hatte man ihn dort einfach in den Briefkasten geworfen. Das würde jedenfalls erklären, wieso der Brief erst am Dienstag in Treviso ankam, zwei Tage vor der geplanten Übergabe. Die Post hatteoffensichtlich vier Tage gebraucht, um das Erpresserschreiben von Castello nach Treviso zu transportieren, für eine Strecke von gerade mal sieben Kilometern.
Bürgermeister Mario war sich darüber im Klaren, dass es mit Abwarten diesmal nicht getan war. Er war sich auch sicher, dass die touristische Attraktion nach Treviso zurückmusste, und zwar schnell. Also machte er sich, den Brief in der Hand, auf den Weg zum Pfarrhaus, wo ihm Maria die Tür öffnete.
«Sie sehen ja furchtbar aus, Bürgermeister, was ist denn mit Ihnen passiert?», und schon bugsierte sie den Bürgermeister ins Wohnzimmer, setzte ihn in einen Sessel und goss ihm erst einmal einen Grappa ein. Nachdem er diesen dankbar und in einem Zug geleert hatte, rückte Mario mit der Sprache heraus.
«Ich muss den Pater sprechen, in einer sehr wichtigen Angelegenheit.»
«Mein Bruder ist nicht da, er hat heute eine Besprechung mit dem Bischof und kommt erst am späten Nachmittag zurück.»
Mario stöhnte auf.
«Eine Katastrophe!», jammerte er. «Wie soll ich denn ohne den Pater etwas entscheiden? Schließlich ist es ja ein Heiligtum, da müsste doch die Kirche einspringen, denn ich weiß wirklich nicht, wo ich von heute auf morgen fünfzigtausend Euro hernehmen soll.»
Maria verstand kein Wort, stattdessen blickte sie den Bürgermeister fragend an, der mit einer hilflosen Geste das Erpresserschreiben aus seiner Sakkotasche zogund es ihr überreichte. Als sie es gelesen hatte, musste sich auch Maria erst einmal setzen. Sie goss dem Bürgermeister und sich jeweils ein weiteres Gläschen ein, prostete ihrem nervlich schwer angeschlagenen Gegenüber zu und fragte sich im Stillen, was wohl ihr Bruder mit diesem Brief im Schilde führte.
18
«Der ist nicht von mir!» Don Antonio protestierte auf das Heftigste. «Für wen hältst du mich eigentlich?»
Er war richtiggehend entsetzt, dass Maria ihm zutraute, seine eigene Gemeinde zu erpressen. Dass sie wusste, wer die Madonna hatte verschwinden lassen, überraschte ihn
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