Das wunderbarliche Vogel-Nest
drauff / daß jeder Anwesende / auch Eliezer selbst / der damals Persöhnlich vorm Tisch auffwartete / sehen konte / was massen die Speisen auß den Schüsseln auff meinen Teller wanderten / und sich von demselben nach und nach verluhren / wie mein portion Brod abnam / und sich die Becher leerten / welches alles mit höchster Verwunderung beobachtet / und mit noch grösserer Freud und Zufriedenheit deß Eliezers an- und auffgenommen wurde / also / daß er mir nicht nur gemeinen Frantz- und Teutschen / sondern gar von Spanischen und Canari-Wein einschencken thät.
Da mir nun dieses auch solcher Gestalt gelungen / wurde ich so treist und kühn / daß ich mich auch in anderer reichen Juden Häusern nicht allein bey solchen Eliæ-Gastereyen / sondern auch gar bey den Beschneidungen an deß Eliæ statt einstellete / welches grosse / und zuvor gleichsam unerhörte Wunder bald bey allen Juden daselbsten und anderwärts in der Nähe erschollen / also daß ich wol gedencken konte / es wäre nunmehr Zeit / zum vorhabenden Werck selbst zu schreiten / und meinen Anschlag unverlängt vollends ins Werck zu setzen.
Jch liesse mir ein Instrument durch den Dreyer verfertigen / allerdings wie eine Haber-Gaiß / damit die junge Knaben kurtzweilen / nur daß der Stil oder Fuß hol war wie eine Pfeiffe / und an statt deß viereckigten Brumel-Lochs in der Seiten hatte ich oben ein rundes Loch / das ich auff- und zuschrauben konte / dieses füllete ich inwendig mit Baumwoll / angefeuchtet mit dem allerköstlichsten Jndianischen Balsam und Liquidambar , und dick untermischt mit Bisam / Ambra / Zibeth / und den aller-kostbarlichsten Aromatis von Blumen / Kräutern / Wurtzeln / Gummi und Früchten / also / wann ich das Loch auff dem Haupt auffschraubte / und unden zum Fuß hinein / und dergestalt dardurch bliesse / daß ich in einem Augenblick ein jedes Zimmer mit dem allerlieblichsten Geruch / den ein Mensch je geschmäckt / erfüllen konte / diesen Bisam-Knopff nahm ich / sampt meiner Unsichtbarkeit zu mir / nachdem ich zuvor mich in meine Alb und gülden Stück gekleidet / mit einer Goldgelben krausen Barücke von 100. Thalern werth / und einem grünen Krantz mit Klenodien oben darauff oder darumb außgeziert / auch im Angesicht mit bequemen Farben bemahlet hatte / und gieng also gebutzt gegen Abend in Eliezers Behausung; Ja ich versteckte mich so gar in seine Schlaff-Kammer (die er vielleicht / wegen verhoffender Ankunfft Eliæ und deß Messiæ mit Tapezereyen und köstlichen Umbhängen umb seine Bettstatt auffs scheinbarlichste gezieret / und mit einem die gantze Nacht durchgehend brennendem Wachs-Liecht versehen hatte) mit höchstem Verlangen erwartend / biß er schlaffen gangen / und im ersten Schlaff begriffen seyn würde.
Als ich nun solche erwünschte Zeit erlebt / tratte ich sichtbarlicher Weise in meinem ungewöhnlichen Habit / in meiner frembden seltzamen Gestalt und entlehnten Schönheit hervor / stellte mich vor Eliezers Bett / und weckte ihn gar säuberlich auß dem Schlaff / dein Hertz / sagte ich / Eliezer erschrecke nicht / und dein Gemüth lasse von aller unnöthigen Forcht entfernst seyn / dann siehe / ich bin der Engel Uriel / der vor dem Angesicht deß HErrn stehet / vom König der Könige und seinem Propheten Elias / dem du all dein Lebenlang in der Forcht deß HErrn gedienet hast / abgeordnet / dir die aller-frölichste Bottschafft von Erlösung deß Außerwehlten Volcks Jsraels zu bringen / wornach das Hauß Jacobs schon so lange Zeit geseufftzet / dann du bist der Zweig auß der Wurtzel Jesse entsprossen / herstammend auß Juda / von dessen Geblüt gebohren werden soll der Moschiach / der heilige Erlöser und Widerbringer seines Volcks auß der Zerstreuung in das gelobte Land / worinn Milch und Honig fleust; Als ich hierauff ein wenig pausirte / Eliezer aber sich ein wenig erkobert / und den Schlaff auß den Augen gewischt hatte / sagte er / dem Herrn ist zwar alles möglich / aber wie wird diß geschehen können / dann meine Sara alt / und zum Kinder zeugen undüchtig worden ist? Jch antwortet / es ist deß HErrn Will / und von ihm also geordnet / daß nicht von dir und von deiner Sara / sondern von deiner Tochter Esther Messias geboren / und von ihr vom Propheten Elias empfangen werden soll / siehe / Gott hat sie deßwegen so mit Tugenden / Frommkeit / und seltener Schönheit begabt / daß sie würdig seye / eine Gemahlin eines so grossen heiligen und wunderbarlichen Propheten / und zugleich auch eine Mutter
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