Das wunderbarliche Vogel-Nest
gantz zitternd in einen Sessel / schlug die Hände ineinander / und die Augen über sich / daraus ich unschwer abnehmen konte / daß sie mich im Spiegel gesehen / und vor eine teufflische Erscheinung / so ihrer Hoffart und Thorheit spotte / gehalten habe; Derowegen trollte ich mich aus der Stube weil die Thür noch offen stund / und kam eben zu der Windelstege / als die Magd herauf lieffe / zu sehen was ihrer Jungfer mangelte; dieselbe wolte aber nicht sagen was ihr widerfahren wäre / sondern führte ein jämmerliche Klag / also daß sie ihre Torheit wohl büste; ich aber schumelt mich die Stiege hinunter / und weil alles zulieffe zu sehen / wie es umb die Jungfer stünde / fande ich den Saal von jederman gantz läer / und etliche Kanden mit Wein im kalten Wasser stehen / darvon erwischte ich eine und thät einen schmalen Zug darauß / von ungefehr drey Quärtlein / verfügte mich darauff in den wunderschönen Garten / beschauete die schöne Blumen und rare Gewächs / und werckte in solchem spatziren gern vor die lange Weil ein Stuck Weisbrod und Gebratens auff / dessen ich noch zimlich in meinem Rantzen hatte.
Uber wenig Viertelstunden hernach kamen einige Herren und Frauen an / und sonderlich auch der Jungfrauen Eltern / deren dieser Garte sampt aller Zugehörte / Hauß und alles zuständig war / welche mit grosser Betrübnus vom Gesind vernahmen / daß ihrer Tochter wehe worden wäre; Es lieff alles hinzu ihr hülfflich beyzuspringen / aber weil sie ihr Anliegen und Begegnus niemand offenbarte / so konte auch kein Trost an ihr hafften / sondern sie stellete sich / daß man auß ihrem vielen Seufftzen hätte urtheilen mögen / sie wäre etlicher massen im Kopff verruckt / ihre Reden aber fielen noch zimlich vernünfftig; Man sendet nach dem Medico , welchem die Mutter erzehlte / daß sie ihr liebes Kind frisch und gesund geschickt hätte / die Anordnung zu thun / daß der bevorstehend Jmbs recht zugerichtet würde / so finde sie es aber leider nun so in einem elenden Zustande; Der Doctor hingegen konte sich in ihren Zustand nicht richten / doch sagte er / daß entweder auß übermässiger Sorg / Furcht / oder unvermuthlich eingenommenen Schrecken herrühre; Jch war über mich selbst unwillig / daß meine Gegenwart so einen traurigen Alarm erregt / und eine so herrliche Zech an einem so anmutigen Ort zerstört haben solte; da mich doch alles wie ich anfänglich hinkame / an den Saal dahin die schöne Psyche verzuckt worden / ja die Patientin an die Psyche selbst ermahnt hatte; Ja ich war so schellig über mich / daß ich mich vor einen rechten Unglücks-Vogel hielte; Mein gröster Trost wars / daß alles wider meinen Willen geschehen wäre / wann etwan die Jungfer sterben solte / wie ihr Mutter besorgte.
Jn dieser verwerten Betrübnus langte der jenige Herr an / welchem zu Gefallen die gantze Gesellschaft versamlet war; Als der die dasige Zusammenkunfft veranlast hatte / umb zu sehen und den Augenschein einzunehmen / ob zwischen ihme und offtgedachter Jungfer ein Heyrath getroffen werden könte; er war ein schöner junger Kerl / außgebutzt und staffirt / wie reiche Alamode Galanen jetziger Zeit zu seyn pflegen; Wie er nun bewillkommt worden / und ob man ihn auch gleich zu seiner verblichenen Liebsten gelassen / weiß ich nicht / dann ich gieng noch als im Garten herumb / und liesse mich von meinem Gewissen ängstigen / daß ich so eine schöne und vornehme Dame in Leib- und Lebens-Gefahr gebracht; Es stunde aber gar nicht lang an biß man zur Tafel gieng / da sahe ich / daß die Jungfrau schon wieder so wol auff war / daß sie auch darbey sitzen konte; aber wie mich bedunckte / so war sie noch gar still und traurig / und hatte alle liebliche und liebreitzende Geberden vergessen / die sie kürtzlich vorm Spiegel gelernet.
Alle Anwesende gaben ihr lauter Zuckersüsse Wort / und ehreten sie wie eine Göttin; der Auffwärter servirte ihr wie ein Sclav / und auß Rath deß Doctors musten die Spielleute vor der Tafel auffmachen / damit sich ihre zerrütte Geister wieder colligiren und erholen mögten / davon die gute Jungfer wieder allgemach erquickt / und mit einem feinen Färblein angeblühmt wurde; Jn Summa es schickte sich wieder alles mit ihr viel feiner als ich hätte hoffen dörffen / und fienge es gleich darauff an so toll und lustig herzugehen / daß ich mir diß Leben ein Vorbild seyn liesse deß jenigen / wie etwa der reiche Mann beym Luca am 16. eins geführt; Derowegen wurde ich in meinem Gewissen
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