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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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auch zu solchem Ende ein Feuer auff den Herd / in welchem die Kinder unterdessen gelbe Rüben briethen ihren Hunger zustillen / etliche aber auß ihnen zwackten der Mutter heimlich etliche Suppenschnitten hinweg; und assen sie so verstohlens / daß sie auch die Lefftzen nicht drüber bewegten / sondern das Brod nur im Maul zerschmeltzen liessen / und folgends hinunter schluckten.
    Jndessen kam der Mann mit der Geiß wiederumb / und berichtet / daß sie die Presser oder Hexengierer nicht allein außgemolcken / sondern auch ihme am gulden Thaler den übrigen Batzen / vor welchen er Saltz mitbringen sollen / vor ihren Lohn einbehalten / welches abermal eine neue Klag unter Weib und Kindern verursachte / dann nunmehr wuste sie vor dißmal keine Suppe zukochen / weil Saltz / Schmaltz und Milch mangelte.
    Damit aber die Kinder gleichwol etwas warmes in Leib kriegen möchten / nahm die Mutter ein Ey (dann diese Haußhaltung vermochte auch eine Henne) rührte selbiges unter Wasser / liesse es sieden / und schüttelte die äusserste Stäublein auß dem Saltzsäcklin über die Brocken / und als diese magere Suppen aufgetragen war / setzte sich klein und groß nach gesprochnem Gebett darumb her / und attaquirt en sie mit ihren höltzernen Löffeln / daß kein Tropffe mehr darin bliebe; Ach hatten diese Leut nicht ein Appetit gegen den heutigen im Garten? der Tisch (den ich der Kunst nach ansahe / daß ihn der Haußvatter selbst gemacht hatte) war zwar so wol mit außgehungerten: und an Kleidungen überall zerlumpten Kinder besetzt / daß niemand mehr daran sitzen konte / doch vermochte ich gar wol über sie hinein zureichen; und weil ich das miserabl Ellend betaurete / zumalen ohne meinen Hasen und Reheziemer dem Rantzen und die Hosensäck mit allerhand Stückern Fleisch / gebratene / weiß Brod und dergleichen Waar angefüllt: auch wahr genommen hatte / daß beyde Eheleute das Geld als ein sonderbare Wunderbarlich bescherte Gabe Gottes angenommen; Als thät ich meine milde Hand ferner auff / und fieng an den Kindern auß meinen Hosensäcken nacheinander vorzulegen / dann nach der Supp wolt ihnen der Vatter kein Stücklein Brod schneiden / wie ers und sein Weib auch selbst zimlich sparten;
    Jch konte eben auß denselben (so wol den alten als den jungen) einem jeden einen zimlichen Particul mittheilen ehe ich sie gar außlehrte / welches die alte mit Erstaunen und höchster Verwunderung: die arme Kinder aber mit zusammen schlagenden Händen und höchsten Freuden annahmen / GOTT danckten und das Christkindlein lobten / daß es ihnen einmal genug zu essen bescherte; Sie hieben auch so gewaltig darauff zu / daß es mir selbst wol schmeckte und als ich sahe / daß es so wol angelegt war / lehrete ich auch meinen Rantzen mitten auff den Tisch auß / darvon ihrer aller Freud verdoppelt wurde; hingegen steckte ich den Hasen und Reheziemer hinein / solches vor mich zubehalten; und demnach es von den Spänen so diese Leut an statt deß Lichts brannten / zimlich warm und raucherig in dem ohne das engen Stüblein wurde / konte ich das Ende der Mahlzeit nicht erwarten; sondern verfügte mich wieder hinauß auff das Geiß-Futter / auff welchem ich schlieffe biß an den lieben hellen Morgen;
    Als ich nun lang nach Auffgang der Sonnen erwachte / sahe ich daß mein Haußwirth Körbe flochte / das Weib und die zwey grösten Kinder aber dortsassen und ein grob küdernes Garn zu Sack-Daffent spannen / welche Handthirung mich je zu gering seyn dunckte / auß ihrem Ertrag zehen Mäuler erfüttern / geschweige noch darzu Geld vor die Obrigkeit vorzuschlagen: Das Weib hatte ihres Manns Wüllen-Hembt an / welches er im Winter zu tragen pflegt / er selbst ein paar Zwilchener / überall mit Spättern besetzte Hosen / und die Kinder giengen alle so zerrissen daher / daß ich an denen umb sich habenden Lumpen nicht erkennen konten / welches Mägdlein oder Büblein gewesen; Mit welchen Kleidungen sie sich auch deß Nachts bedeckten / dann ich sahe in der Stube die jüngste noch in ihrem Laub und Moß zugerichtem Nest also mit ihren Kleidern zugedeckt schlaffen / der alten Bett war scheinbarlicher von Stroh gemacht / so doch auch schon zimlich zermahlen war; die Bettlade sampt Tisch / Stühl und Bäncken waren alle deß Manns eigne Arbeit / und wie mich bedunckten so war er auch selbst der Zimmermann / Maurer und Decker zum gantzen Hauß gewesen; die Fenster waren von Papier / und der Stuben Ofen von gebachenen Steinen und Holziglen zusammen gesticket; Jn

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