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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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Silber-Geschirr aufpacken können; Jch liesse mich aber daran genügen / daß ich deren nur noch etliche ausleerte / und als ich den Tummel darvon im Kopff empfand / bedunckte mich Zeit zu seyn / daß ich mich außdrehen solte; Nam derowegen einen Reheziemer und einen Haasen mit mir / weil sie vielleicht im Wald einander auch Gesellschaft geleistet / vielleicht miteinander gefangen / mit einerley Speck gespickt: an einem Spiesse gebraten: und jetzunder auch miteinander zugleich also gantz von der Tafel abgehebt worden waren.
    Diese nam ich von deren Arm / dann mein Rantzen und Hosensäck waren ohne das schon genugsam Victualisirt / wischte damit zum Hauß und Garten hinauß / und als ich vor dem Stadtthor merckte / daß mich die Hund daselbsten schmeckten / ob sie mich gleich nicht sahen / gieng ich neben umb / und kam ungefehr über eine Stund oder anderthalbe zu einem Dorff / allwo ich in einer elenden Hütten / die eines armen Manns Wohnung war / auff den Schopff stiege / und mich in das daselbst ligende dörre Geiß-Futter schlaffen legte / welches mir überauß wol zu statten kam.

Bey Untergang der Sonnen erweckte mich ein Geschrey / derowegen stunde ich auff / zu sehen was da zuthun seyn möchte / da war es ein Bott mit zweyen Soldaten / welche meinem Haußwirth / der eben mit Weib und Kindern (deren er grad acht kleine unerzogene beieinander hatte) von seiner Arbeit heimkommen war / seine Geiß genommen / und solche hinweg führten / umb willen er 14. Batzen Herren-Gelder / wie sie es nannten schuldig war; das Weib schlug die Hände überm Kopff zusammen und schrie immer und ohne Unterlaß / Ach daß GOtt im Himmel erbarm / womit soll ich nun meine arme kleine Kinder ernähren? Die Kinder aber schrieben alle zusammen / ach unser Hetel! ach unser Hetel! unser Hetel! der Mann aber bat die Exequi rer vor GOtt und nach GOtt; umb seines Leydens: umb aller seiner Heiligen und umb deß Jüngsten Gerichts willen / nur noch umb acht Tag Gedult / aber vergebens; Er beschwur sie noch höher aber umbsonst! Sie passirten einmal mit der Geiß fort und liessen den armen Mann sampt Weib und Kindern lamentirn so lang sie wolten; derselbe wande die Hände zusammen / verfügte sich in die Stub seiner elenden Herberg / ihm folgt Weib und Kind mit einem jämmerlichen Heulen und Geschrey / und ich gieng hernach mit hertzlichen Mitleyden; Ach sagte er / es wäre kein Wunder es thäte einer was ihn GOtt niemal geheissen! Jch hab kein Heller Geld nur das liebe Saltz zukauffen! ich hab kein Schmaltz nur an eine Wassersuppe! Von aller meiner sauren Mühe und Arbeit bleibt mir kaum so viel wegen der unerträglichen Presserey meine arme Kinder nur mit dem lieben trucknen Brod zuernährn! und über diß alles kommen noch diese Schinder und nehmen mir das beste auß dem Hauß; was soll ich nun anfangen / wann ihr nunmehr beedes deß Schmaltzes und der Milch beraubt seyn sollet?
    Dergleichen mehr klägliche Wort beutete er gleichsam in einem Paß daher / sein Weib schrie einen erbärmlichen Tenor darunter / und die unterschiedliche Kinder (so ohne das ihrer unterschiedlichen Grösse nach die Orgelpfeiffen repræsentirt en) hielten den Altum und Discant , also daß es die Harmoniam der jämmerlichsten Music abgab; Welches mich nicht unbillich zur Erbärmde und einem Christlichen Mitleyden bewögete / und erinnerte / zubedencken / was für ein Unterscheid zwischen diesem elenden Leben und dem jenigen seye / das ich den verwichnen Tag gesehen; Jch gedachte heut warest du bey dem reichen Mann / jetzt bist du beym armen Lazaro; dannoch erfreuete mich noch ein Ding / nemlich daß Mann / Weib und Kinder alle frisch und gesund waren / so bey dem Lazaro nicht gewesen.
    Wie ich nun also in die nechst verstrichene Mittags-Mahlzeit gedacht / erinnerte ich mich auch der zweyen gulden Thaler die ich dabey erbeutet hatte / zog derowegen einen darvor herfür / und schlug ihn auff den Tisch daß er kläpperte: beyde arme Eheleute erschracken zwar / aber sie erholten sich bald wiederumb und sagten zusammen / diß hat uns GOtt bescheret / unser Hetel damit außzulösen.
    Der arme Mann lieffe auch alsobalden mit dem gulden Thaler hin seine Geiß zu ranzionirn , wiewol es schon zimlich düster war; das Weib und ihre Kinder aber befanden sich wol getröst / und dancken GOtt umb das empfangne Geld / Mithin schnitte sie die Supp ein / und wartete mit Verlangen biß die Geiß käme / damit sie deren Milch sieden und die verhoffende Supp anrichten könnte / machte

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