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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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deß schönen Exempels / das ich an deß Wirths Bekehrung den vorigen Abend gesehen) zu Gemüt führete / daß beydes was ich bedorffte / mit Sünde wider das siebende Gebot zuwegen gebracht werden müste; Fieng ich an zuerkennen / daß mein damalige Lebensgattung die ich führete / verdamlich wäre; Uber das kam sie mir wegen sonst allerhand Ungelegenheiten die ich außstunde / gar beschwerlich vor; Jch sahe / daß sich weder ein geruhigs Gewissen noch ein gute accommodi tät darzu schicken und vergesellschaften wolte; dann ob ich gleich in den Augen der Menschen und Thier unsichtbar war / so fanden mich doch die Läuse / deren ich selbst eine zimliche Quantität zeugte / weil ich niemal auß den Kleidern kam; so sahe ich auch / wann ich so fort fahre und darüber erkranckte / daß ich ohne einiger Menschen Hülff und Trostleistung beydes an Leib und Seel verderben müste; Nichtweniger kam mir in Sinn / daß GOTT und die Natur von seltzamen Kräfften und wunderbarlicher Würckungs-Stücken ein solchen reichen Vorrath hervor gebracht und erschaffen / unter denen vielleicht eins (oder auch wol sonst ein Künstler) gefunden werden möchte / so der Würckung meines Vogel-Nests widerstehen: dessen Krafft zernichten: mich sichtbar genug machen: und also in der Obrigkeit Hände bringen könten / die mich wegen so scheinbarlicher Anzeigung und selten gesehener Verkleidung mit gutem Fug an die Tortur werffen: und so lang peinigen lassen dörffte / biß ich unangesehen meiner Unschuld so viel bekennen würde / daß man mich wie die vorige Possessorin meines Vogel-Nestes auff einen Scheiterhauffen / als einen Zauberer / im Rauch gen Himmel schickte.
    Diese und noch vielmehr dergleichen sorgsame Gedancken verursachten / daß ich wider mein Gewonheit wol zwo Stund länger / daß ich sonst pflegt / ligen bliebe zu faullentzen / ob ich gleich nur auff einem Stall im Stroh lag; doch entschlosse ich mich nichts eigentliches / sonder gedacht der Sach weiter nachzusinnen / wie ich thät / als ich mich auff den Weg begeben.
    Jch verlangte sehr nach einer Stadt umb andere Schuh zubekommen / kame aber zuvor zu einem ansehnlichen Closter und beyliegendem Flecken / welches ich seiner Grösse halber von weitem vor eine zimliche Stadt ansahe; Wie ich nun durch den Flecken vor das Closter kam / fande ich das kleine Thürlein offen / welches ein alter Kerl mit einem Steltzfuß beobachtete / damit ungemeltet nichts Frembdes ins Closter käme / dieser strickte entweder Fisch: oder Vögelgarn / und hatte noch zu einem Ober-Auffseher in einem gerad unterm Thor befindlichem Zimmer sitzen: eine Ordens Person / welche Schuh flickte / weil er seines Handwercks ein Schuster: und deswegen in Orden auffgenommen worden war / nicht allein vor klein und groß zu schustern / sonder auch dem Steltzer wie ein Ober-Commendant das Thor zubewahren; Dannenhero hielte ich ihn vor eben denjenigen / den ich suchte / nemlich einen solchen / der mich erheischender Nothdurfft nach von neuen beschuhen würde; Jch wäre zum Thor hinein kommen / wann gleich auch der Schneider selbst bey ihnen auff der Wacht gehalten; Uber deß gedachten Zimmer Thür stunde mit Romanischen Buchstaben geschrieben S. Crispinus , worbey ich auch merckte / was man darinn handierte; dann ich wäre sonst vorbey gangen / und hätte nicht einmal in acht genommen / daß mir auß demselbigen Ort geholffen werden könte.
    Nun ich kame mit guter Gelegenheit hinein / und fande zwar viel Leiste und zimlich Leder von allerhand Sorten / Alemode und Bäurisch: gemein und mittelmässig / Carduanisch: Gericht: geschmiert: Preussisch: Polnisch: Ungarisch: Niederländisch: weiß: roth: gelb und in Summa allerhand Leder / aber gleichwol kein eintziges paar neuer: weder kleine noch grosse Schuh / dargegen ich die meinige hätte vertauschen mögen / und was das schlimste war / so flickte der Bruder Laicus noch immerhin nur alte: deren er einen gantzen Mahlsack voll dort hatte / die schon fertig waren / und eben so viel die er noch pletzen muste; Ob ich nun gleich kein Vortel sahe / wie meine Schuh an diesen Ort gegen bessere zuvertauschen wären / so gedachte ich dennoch / der Kerl wird so viel herrlich Leder umb der Gänse willen und nur flickens halber nicht im Vorrath haben? dachte derowegen der Sach besser nach / und bekam dardurch den Einfall / daß das Closter irgentwo eine Quantität Schuh beieinander haben müste / darunter etwann ein eintziges paar mir anstehen und passen möchten; dieselbe nahm ich vor

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