Das wunderbarliche Vogel-Nest
konte / und sahe in solcher Zeit so viel / daß ich den treuhertzigen Colerum wol beschuldigen kan / er seye den Schäfern noch lang nicht hinter alle ihre Schelmstück und Diebsgriffe kommen / wiewol er deren zimlich in seiner Oeconomia erzehlet.
Demnach sich aber der Himmel wieder aufheiterte / und seine schwartze Decke vor dem Angesicht deß grossen Weltliechts wieder hinweg zog / also daß mich dessen Anblick bescheinen konte / machte ich mich auff den Weg / und setzte meinen Lauff immerfort gegen den Polnischen Gräntzen zu; Mein Wilt-Bräd fieng allgemach an klein zu werden / und derowegen muste ich bedacht seyn / meinen Rantzen wider auf ein Neues zu proviantiren; bey dem Landmann auff den Dörffern war aber nichts so schleckerhafftigs vor mich zubekommen; doch stunde mir in einem Wirthshause / wohin ich mich Dursts halber begab / ein delicat er Schuncken an / den ich auß einem überm Feuer hangenden Kessel fischte / und meinen Schuh ohne Absatz darvor hinein steckte / damit ich meine Speise gleichwol nicht gar umbsonst hätte; Es wäre aber vor die Leute im Hauß erleydentlicher / doch nicht zu ihrer Besserung ersprießlicher gewesen / wann ich den Schuncken glat hingenommen / und nicht eingedaucht / dann ob sie zwar anfangs den Schuh drumb ansahen / ob wäre der Schuncken biß auff die Schwarte verkocht worden / so erschreckte sie jedoch hernach das Wunder umb so viel desto mehr / als sie sahen / daß es ein Schuh von Menschen Händen gemacht: und keines Schunckens Uberzug war; O liebe Kinder! schrie der Wirth / schüttet kein Kofent mehr unter dem Vorlauff des gerechten Biers! last mir auch hinfort den guten Brandewein unverfälscht / und schreibt nicht mehrers an die Tafel / als ihr den Gästen aufgetragen; dann umb solcher Veränderung willen ist auch der Schuncken verändert worden / zur Anzeigung / wann wir unsere gewöhnliche Veränderungen nicht einstellen und unterwegen lassen / daß uns hinfort unsere Nahrung dermassen verändert werden könne / wie ihr vor Augen sehet / und diß unerhörte Wunder bezeuget.
Darauff trug er den Schuh auff den Tisch / schlug an die Brust und bat mit weinenden Augen und hertzbrechenden Seufftzen umb Gnad und Verzeihung aller seiner Missethaten / mit vielen Gelübten und Versprechungen sich hinfort zu bessern / und alles den Armen mitzutheilen / was er hiebevor seinen Nächsten durch ein und andere Veränder- oder Verfälschung abbetrogen und vorgeschlagen hätte: ja er und die seinige bezeugten eine solche Reu / und ihr leidwesen war so groß / daß es mich gleichsam zum Mitleyden zwang; Jch gedachte / ach! wie wird sich die grundlose Barmhertzigkeit GOttes erst hierüber bewegen? Jch erfreuete mich / daß er durch meinen Diebsgriff zu solcher Reu und seiner selbst Erkantnus kommen war; beydes aber / das Mitleyden und die Freud so ich hatte / bewegten mich / den Schuncken wieder hinzulegen / und den Schuh zu mir zu nemmen; weßwegen sich im gantzen Hause die Leid-Thränen zu Freuden-Zähren: und ihre ächtzende Seufftzen in lauter Lob Gottes verwandelten; und darauff gedachte ich / daß ich damal ein gutes Werck verrichtet hätte.
Aber gleich wie ich den Schuncken zu keinem solchem guten Ende gestohlen / und also deßwegen mir keine verdiente Belohnung zuschreiben kan / also weiß ich auch nicht / ob der Wirth und die seine in ihrem guten Vorsatz beständig verblieben oder nicht?
Gleichwol wurde ich von dieser Begebenheit so Gottsdächtig / das ich dem Wirth denselben Abend weder zu essen oder zu trincken stahl; Jch behalff mich mit Dünbier / welches ohne das nicht mehr in selbigem Hause unter das dicke fette gemischet oder den Gästen gegeben werden solte; und da ich von meinem Wildbräd zehrte / erinnert ich mich mit schweren Gedancken / daß ich solches auch gestohlen / und wann ichs eben nicht auß einem Ort deß Uberflusses: gleichsam wie auß dem Cornu Copiæ genommen / so hätte ich dieselbe Nacht gar nicht gessen; damals lernete ich zu Gemüt führen / was die Gesellschafft frommer oder böser Leute vermöchte. Weil wir aber (dann bey meinen Bieren weiß ich wann andere zeitigen) gemeiniglich zum Bösen geneigt zu seyn pflegen / so liesse ich mir auch noch zur Zeit solche Betrachtung so schlecht dahin zu Hertzen gehen / daß ich dieselbe Nacht gar geruhiglich darvor schlaffen konte.
Am folgenden Morgen frühe lag mir nichts mehrers an / als wo ich neue Schuh: und wiederumb etwas zu fressen in Vorrath bekommen möchte; und als ich dabey (wegen Erinnerung
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