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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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sondern er wischte gleich auff und gieng hin die Warheit zuvernehmen / und wessen ermelter sein Sohn bezüchtigt werde; der Wirth gieng mit ihm als seinem alten Bekanten und guten Freund; zu welchem Simplex sagte / was solls gelten / wo nicht mein Sohn auß Mißverstand zum schwartzen Roß gerathen / weil ich ihm geschrieben / er soll meiner zum Rappen erwarten.
    So bald sie hinweg waren / suchte ich deß Wirths Schreibzeug / welches ich in einem Nebenstüblein fande / schriebe hernach folgenden Bericht auff den vierdten Theil eines Bogens Papier / so einfältig und klar als ich konte / nemlich also:
    Ein Müller brachte einen Sack Meel zum schwartzen Roß / dem gab die Wirthin ein Stück Käß und Brodt / das legte er auff den Sack / biß ihm die Wirthin auch einen Trunck brachte / den Käß ließ er aufm Sack liegen als er getruncken / und gieng seines Wegs / hernach kam der junge Simplicissimus , liesse ihm ein Halbes langen / und als die Wirthin sich vergeblich bemühet / den Sack Meel zum Backtrog zu tragen / trug ihn der Simplicissimus ungebeten hin / über welcher Arbeit beyde sich mit Meel bestäubten / und mit dem Käß beschmirten; als der Wirth darüber in die Stub kam / argwohnete er / beyde hätten etwas unrechts begangen; welche Warheit so wol der Müller als der stumme Meelsack bezeugen werden; worüber jener verhöret / und dieser besehen werden kan.
    Mit diesem schriftlichen Bericht folgte ich Simplicissimo nach / weil es aber schon spat war / daß er weder gehöret werden / noch etwas anders ausrichten konnte / als daß man die Sach künfftigen Morgen vornehmen solte / so gieng ich wieder mit ihme zuruck ins Wirthshauß / und den folgenden Morgen auff die Rath-Stub / allwo die Sach verhöret und examinirt wurde.
    Der Schwartz Roß-Wirth war Kläger und hatte nichts anders zum Beweiß / daß er ein Hanrey sey / als den faulen stinckenden Käß und den Meelstaub / welches auch bey theil Verständigen vor genugsame Anzeigungen gehalten wurde / daß beyde Beklagte nahe genug mit den Leibern zusammen kommen seyn mochten / vornemlich weil der junge Simplicius ein schöner gerader Mensch war / der aber so wol als die Wirthin ihre Unschuld mit GOtt bezeugten; Jch mochte aber die Sach nicht lang vergeblich hin und her wägen lassen / sondern legte meinen geschriebenen Bericht vor den Richter auff den Tisch / worüber sich jederman verwunderte / er wurde durch den Actuarium abgelesen / und darauff beydes der Müller und Mahlsack geholet / die da bezeugten was ich geschrieben; hierauff wurden beyde Beklagte ledig gesprochen / dem Kläger aber schimpflich verwiesen / daß er sein unschuldig Weib zur Huren / sich selbst aber zum Hanrey machen wollen. Welches doch niemalen ein Mann zu seyn begehrt / und sonst niemal gehört worden.
    Jch gieng wieder mit den beyden Simpliciis in ihre Herberg / allwo der Alte von einer Gräflichen Hoffhaltung / wohin er seinen Sohn in Dienste recommendirt , eine Widerantwort erwartet / dieselbe lautet aber nicht nach Wunsch / sondern also: Jnsonders hochgeehrter Herr / wie gern ich dessen Sohn in meines Gnädigen Herrn Diensten sehen mögen / wird mir der Herr Bruder schwerlich glauben können; Seine Gn. waren auch mit meiner hertzlichen Erfreuung gäntzlich entschlossen / ihn anzunehmen / hat aber auch zuvor erkundigen wollen / welcher Gestalt er sich in bewustem Closter verhalten / und warumb er so bald wieder aus demselben hinweg kommen / und eine solche Antwort erhalten / die ihme allen Lust und Willen ihn anzunehmen vertrieben; Jch communicire deß Herrn Brudern Verschwiegenheit im höchsten Vertrauen / daß auff ihne außgeben worden / er hätte die Gewonheit beydes mit der Zung und krummen Fingern spatziren zu gehen; So zwar mein Gn. Herr nicht glaubet / gleichwol aber auch nicht trauet; uns damit allerseits Gottes Schutz empfehlend.
    Diß thät mir wehe / geschweige den beeden Simpliciis ; dann diß war je grob und unfreundlich gehandelt / daß man mit seiner deß Jungen Außbeissung nicht zu frieden gewest / sondern ihn noch darzu anderwärts verleumdet und vor seinem Glück stunde; doch taugte mirs auch zu einer sonderbahren Freud und Ergötzung / als ich sahe / das sie beyde sich so wol in diese widrige Begebnuß schicken konten; Was? sagte der Alte / wer mein Herr nicht seyn will / dem darff ich auch nicht dienen / die gantze Welt steht uns offen / wir dörffen darinn betteln wo wir wollen; lang zu Hof lang zu Höll; und ist mein Sohn nicht zum Mönchen prædestinirt

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