Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Vom Netzwerk:
defensivè so gut er konte / aber gegen solchem ergrimmten Wirth der nur Rach begehrte / hätte er wenig außgericht / wofern ich den zornigen Wirth nicht unsichtbahrer Weiß an Vollführung seiner grausamen Streiche verhindert hätte; dieser Alarm wurde gleich von der Nachbarschafft gehöret / und darum lieffe dieselbige zu; und als zu allem unseren Glück eben die Schürgen und Bittel darzu kamen / die obengedachten Maußköpff in Thurn geführt / fielen dieselbe zugleich mit ins Hauß / und nahmen von wegen der Obrigkeit den Wirth / die Wirthin und Simplicium in gefängliche Hafft; ohne daß jemand an den mit Käß geschmierten Sack gedacht hätte / der dieses unversehenen und seltzamen Spiels Ursach gewesen.
    Da ich nun sahe daß in diesem Wirthshause nichts zu schmaussen setzen würde / suchte ich ein anders / und kam eine lange Gasse hinauß in eins / welches in seinem Schild eine Rabe führte / und dannenhero zum Rappen genannt wurde.

Eben damal als ich hinkam / stige ein alter Moßbart ab / der mich dem Bart und seiner Kleidung nach an die Antiquität selbsten ermahnete; der Hauß-Knecht führet sein Pferd in Stall / er aber marchirte der Stuben zu / und ich kame mit ihme hinein / darinn sasse der Wirth und lase in zweyen Büchern zugleich / weil er eben so wenig Gästen auffzuwarten hatte / als der zum schwartzen Roß; Grüß ihn GOtt / (sagte der alte zum Wirth / ) Grüß ihn GOtt Herr Schrepfeysen / wie so gar in doppelter Andacht begriffen? Er wird gewißlich dencken mit doppelter Kreyden geschrieben / also auch doppelt gebetet? Aha! antwortet der Wirth / willkommen mein rechtschaffener ehrlicher Herr Simplex ! woher so unversehens? Jch habe gesorgt gehabt er sey gestorben / daß ich ihn so lange nicht mehr gesehen; Ach! antwortet der Alte / ich wäre noch nicht hier / wann mich meines Sohnes Angelegenheiten nicht hieher getrieben hätten; Jch habe ihn neulich dem Herrn Prælaten zu N. recommendi rt gehabt / der Hofnung / er würde bey Geistlichen auch geistlich gesinnet werden / und in ewigwehrenden Gottesdinst tretten / so hat er mir aber vor etlichen Tagen geschrieben / daß er wiederumb unwissend warum / dort abgeschafft worden; darüber habe ich mich verwundert / und deßwegen in seinem nativi täten-Buch nachgeschlagen / und befunden / daß er umb diese Zeit / vornemblich aber heut wegen seiner Redlichkeit und Neigung jederman bedient zu seyn / auß Neid / Jrrung und Mißtrauen in äuserste Gefahr Leibs und Lebens kommen werde; derohalben habe ich ihm wieder geantwortet / und befohlen / daß er sich auff diesen Tag hier in diesem Hauß einstellen / und meiner erwarten sollen / zu sehen / wie ihm etwann zu helffen seyn möchte; aber indessen was hat der Herr vor zwey Bücher da / in denen er zugleich lieset? Jst vielleicht jenes kleineste der Thomas de Kempis ? Wol nein / antwortet Schrepffeysen / ich kenne denselben Thomam noch nicht / diß ist die Assenat und jenes der keusche Joseph; diese beyde lese ich gegen einander / weil beyde Eheleut gewesen seyn sollen / und sehe wie der jüngere Scribent dem älteren so dichte Kappen gibt / mehr die Zeit zu passir en / weil ich jetzt eben keine Gäste hab / als zwischen ihnen beyden ein Urthel zu sprechen.
    Der Joseph? sagte der Alte; Ja! antwortet Schrepffeysen; und die Assenat , die eben nicht viel mehrers in sich hält als Joseph selbsten / ohne daß sie ihr Autor zu einer halben Nonn und eines andern Vattern Tochter macht / als Greifnsohn / der deß Josephs Leben beschrieben hat; mein lasts mich sehen / sagte der alte Simplex , holet aber indessen eine gute Maß Wein / damit ich nicht umbsonst da sitze; der Wirth folgte / und indessen er nach dem Wein war / durchschnarchte Simplicissimus beyde Bücher; im Joseph hielte er sich gar nicht auff / aber in der so genannten Assenat desto länger / und zwar so lang als der Wirth außblieb / da der aber wieder mit dem Wein kam / die Kanne auff den Tisch stellete / und hingieng ein Glaß zu schwencken / soffe er den Wein in einem sachten Zug so glat herauß / daß ich nicht glaube / daß ein eintziger Tropffe mehr darinnen verblieben / ohne daß es der Wirth gemerckt.
    Gleich darauff wühlet er fort in der Assenat , und sonderlich in deren Annotationibus , noch immerhin so durstig aussehende / als wann er mit Verdruß auff das Glaß hätt warten müssen / wie aber der Wirth mit dem Glaß kam einzuschencken / und nichts in der Kanden fand / lachte der alte Simplex und sagte / wann man auß leeren Kanden

Weitere Kostenlose Bücher