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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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einschencken könte / so wäre ich wol ein Stock-Narr so ich im Wirthshauß einkehrte; eine Kande die ich kauffte wäre mir alsdann genug / mein Lebtag den Durst darauß zu löschen / gehet zuvorhin und füllet die Kande selbst / ehe ihr die Gläser darauß füllen wolt; der Wirth wuste nicht ob er vergauckelt war / oder ob er keinen Wein mit sich auß dem Keller gebracht hätte / schüttelte derowegen den Kopff vor Verwunderung / und holete ein andere Maß Wein / auß welcher er einschenckte / und seinem alten bekanten Simplicissimo zum freundlichsten Willkumm eins zubrachte / der sich aber bedanckte / und ihm zuverstehen gab / er hätte den Durst schon auß der vorigen leeren Kanden gelöscht / das mochte Herr Schrepfeysen jetzt auß gegenwärtigen gefüllten thun.
    Jndessen durchblättert er immerfort die Anmerckungen in gedachter Assenat , und zwar in solcher hinlässigen Eyl / als wann ers im Verding zu thun gehabt; und als er zum Ende kam / sagte er zum Wirth / ich sehe wol daß der Nachtbar Simplicissimus eben so wol seinen Zoilum hat / als der berühmte Homerus ! Wann die Geschicht der Assenat , darauff sich hierinn so offt bezogen wird / vor diesem schon verfast gewest / was ists dann vonnöthen daß sie mit dem auß meines Joseph Lebens-Beschreibung gezogen Federn (er erst nach so vielen hundert ja tausend Jahren) wie deß Horatii Krähe außgezieret oder vielmehr vermummt werde? Der Asaneth Geschichte / so ich zwar nicht gesehen / halte ich vor ein Gedicht irgend eines alten Rabi / dardurch er die jüdische Jüngling zur Tugend und Keuschheit anspornen wollen / damit ihnen GOtt / wann sie darin beständig verharreten / solche so wol als dem keuschen Joseph mit einem eben so keuschen Gemahl belohne; So ist auch nicht zuverwerffen / wann umb dieser Ursach / und deß unvergleichlich-keuschen Josephs eigenen Tugenden und Meriten willen ihme eine so vortrefflich aufferzogene Gemahlin angedichtet worden. Aber daß dieser Autor mir am 395. Blat meinen Jmaus / und anderen ihren Komhares; und aber einem andern seinen Alrian nicht passiren lassen wil / und anders mehr / um willen es wider die Geschichtschreiber / so er hiervon gelesen / wie auch der Asaneth Geschicht und die Verfassung deß Josephs letzten willens streite; ist mir gar nicht gefällig / dann er ja selbst tacitè gestehet / daß er nicht alle Geschichten hiervon gelesen / mit den meisten aber so er gelesen / den zu Josephs Zeiten regierenden Pharaonem Nephrem und auch Tomestor Nemme .
    Was ich von der Asaneth Geschichtbeschreibung halte / hab ich schon gesagt / und sage daß ich von den Verfassungen deß letzten Willens der zwölff Ertzvätter auch kein Haar anders / sondern dieses glaube / daß / gleich wie fromme Christen die warhaffte Geschichte deß schmertzlichen Leydens und Sterbens ihres Erlösers heilsamlich betrachten / damit sie die unaussprechliche Liebe GOttes darauß erkennen / ihre Hertzen zu heiliger Gegenliebe und schuldiger Danckbarkeit bewegen / und Demuth / Gedult / Sanfftmüthigkeit und ander Tugenden und ungläubliche Schätze so darinn liegen / begreiffen lernen / und darauß schöpffen: und also das jenige erlangen mögen / worzu sie von GOtt vornemlich erschaffen werden; daß also auch von den klugen Hebräischen Rabinern die gedachte letztere Willens-Verfassungen vor die Jugend auffgesetzt / und gleichsam als ein Spiegel dargestellet worden / in welchem sie zu sehen / wie sie leben / die Tugenden üben und die Laster fliehen solten; in welcher Meinung ihnen nichts daran gelegen gewesen / ob sie in ein und anderer Erzehlung / so viel die Histori selbst anbelangt / der Grund der Warheit so genau erforscht und beobachtet oder nicht.
    Daß auch diese beyde Schrifften auß Neid der Juden / wie der Autor in seiner Vorred sagt / so lange verborgen gehalten worden / fält mir schwer zu glauben / wann ich betrachte / daß die Hebreer die Cabalam so geheim gehalten / daß sie vor Esdræ Zeiten niemand schreiben: nachgehende aber / als sie Esdras auß Göttlichem Befelch schrifftlich verfast / nicht ein jeder lesen dörffen; und daß dennoch dieselbe Cabala in 70. Büchern bestehend / nach Garzoni Zeugnüß so gemein worden / daß sie auß Pabst Sixti IV. Anordnung in der Lateinischen Sprach in offenen Druck kommen.
    Viel / ja die meiste Hebreer halten darvor / Potiphar habe den Joseph seiner Schönheit wegen zum Mißbrauch erkaufft / und seye deswegen untüchtig worden / ehe er sein sündlichs Vorhaben vollbringen können / solches

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