Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
Vom Netzwerk:
, so werde er ein Soldat; der ist ein Narr der sich drumb henckt / wann man ihn nicht in ein Gefängnus setzt / denen sich beydes das Hof und Closterleben vergleicht.
    Den andern Tag nahm ich meinen Weg weiters / und gieng mit einem wackern jungen Baurskerl in ein Städlein da es schon Polnischen Gebiets und doch noch Teutscher Sprach war; Er tratt dapffer auff die Lappen / so / daß er in Bälde eine junge Baurendirn auß seinem Dorffe einholete / die ein Schweinlin zu Marck triebe; es setzte zwischen beiden in Bälde ein leffelhafftig Gespräch / und der Kerl war auch so keck / daß er sie unter dem Hals herumb ein wenig kützelte / und noch von einer viel niedlichern Sach mit ihr redete; doch liesse ers bey einem passirlichen verbleiben; aber als wir jetzt allerdings aus dem Wäldlein gehen wolten / erinnert ihn das Mensch an das / worvon er ihr gesagt und doch nichts geleistet hatte; mit beygefügtem Anhang daß der Busch daselbst hierzu bequem und niemand vorhanden wäre / der es sehe; der Kerl hingegen röthet sich vor Schamhafftigkeit an / und sagte du leichtfertiger Schleppsack siehet es denn GOtt nicht? GOtt siehst und wird dadurch erzürnet; die Engel sehens und werden dadurch betrübet; der Teufel siehets und wirds am letzten Gericht anklagen; Wann es aber nur Menschen sehen / so wäre es nur umb die zeitliche Schand zu thun / welche du mehr scheuest als die ewige Verdammnis!
    Jch verwundert mich umb so viel desto mehr über diese Antwort / weil ich sie hinter keinen solchem Baurnkerl gesucht hätte; Ja sie bewegte mir das Hertz dermassen / daß ich einen Seufftzen nach dem andern darauß holen muste / und diese Wort wol hundertmal bey mir selbst repetirte und je länger je mehr betrachtete; diese Wort / lernten mich in mich selbst gehen / viel besser als wann sie ein Prediger außgesprochen / sie öffneten mir die Augen zu sehen / auß was Ursachen ich so offt und vielmals sündigte / nemlich dieweil ich so gar wenig an die Göttliche Gegenwart gedächte / und ob mir gleich unzehlbar vielmal zuvor gesagt worden / ich solte Gott allweg vor Augen haben / so hatte ich jedoch diese güldene Warnung und Lehr weder recht verstanden / noch ihren Nutz beobachtet vielweniger derselben gefolgt / wie ich ietzo dieselbe verstunde / ihren Nutz vor Augen sahe und derselben hinfort zu folgen beschlosse; da sahe ich daß derjenig Gottloß zu nennen / und Gottlos in Wercken wäre / der nicht immer GOtt vor Augen hat und in seinem gantzen Wandel dessen Gegenwart förchtet;
    Solches desto ehender zu fassen und zu behertzigen / machte mich damal sehr bequem / dieweil alle die Thorheiten Fehler / Sünd und Laster / die ich / so lang ich das Vogel-Nest in Handen gehabt / von andern gesehen und gehöret / nicht vorgenommen noch unterstanden / viel weniger vollbracht worden wären / dafern diejenige die solche begangen / nur meine unsichtbare Gegenwart gewust hätten! unangesehen ich nur gleich andern ein sündiger Mensch und noch lang kein Heiliger viel weniger ein Engel gewesen / den solches geschmirtzet: noch ein Teufel / der solches angeklagt haben würde; Jch gedachte an jenen frommen Mönchen / der auff einer leichtfertigen Vettel emsiges Anhalten mit ihr das Werck der Unkeuschheit zu begehen versprach / dafern sie es auff offenem Marck vor aller Menschen Augen mit ihm vollbrächte / die es aber auß Scham solcher Gestalt nicht angehen wolte / sondern ihr verliebtes Rasen in eine heilsame Bekehrung verwandelte.
    Ach GOTT! gedachte ich / soll ein schwaches Weibsbilde / ein Weibsbild das wegen ihrer verliebten Passion angefochten / und von den hitzigen Begierden ihres Verlangens angesporet wird! Ein Weibsbild / das mit dieser fast unsichtbaren Kranckheit der Liebe behafftet / und dardurch (wie bey nahe alle Verliebte zu seyn pflegen) gleichsam aller Sinn und rechten Gebrauch der Vernunfft beraubt ist / sich der Gegenwart der Leute vom Sündigen abschrecken lassen? und wir übrige Menschen / die sich besser als leichtfertige Huren zu seyn duncken / scheuen sich nicht in der Göttlichen Gegenwart die allerabscheulichste Laster zu begehen! Vor deinem Neben-Menschen / der vielleicht ein Sünder seyn mag / wie du / scheuest du dich / und vor dem den du mit Sündigen erzörnest / der dir zusihet / zuhöret / und dich umb dein Verdienen abstraffen oder belohnen wird / scheuest du dich nicht.
    O grosse erbärmliche Blindheit! O unverantwortliche verstockte Thorheit der Menschen / die da nicht unterlassen zu sündigen / wann es ihr

Weitere Kostenlose Bücher