Das wunderbarliche Vogel-Nest
Unverstand etwas zu gut halten / aber kommt mir nicht mehr so aufgezogen / ich will euch sonst was anderst weisen; und damit gieng er auß dem Hauß / dieser Verweiß gefiele mir im Hertzen / beyde Stadtdiener aber lobten gewaltig die ehrliche Auffrichtigkeit ihres gerechten Burgermeisters / welchem der erschreckte Client wie einer der das Oel verschüttet / von weiten gantz traurig nachfolgte / so / daß er mich beynahe selbst gedauret;
Aber er empfieng gleich wieder einen trefflichen Trost; dann die Frau im Hauß liesse ihn wieder durch eine Magd zuruck ruffen / und fragt ihn gar freundlich was er mit ihrem Herrn zu thun hätte? darauff klagte er ihr alle seine Noth und Anliegen / worunter ihn zum mehresten bekümmerte / daß er ihren Herrn erzürnet hätte; der Herr geb sich nur zu frieden / sagte die Frau / er hat eben jetzt sonst tieffe Gedancken wegen sorgsamer und wichtiger Angelegenheit gemeiner Statt die ihm im Kopff umbgehen; weßwegen er dann schier die verwichene gantze Nacht kein Aug zum andern bringen können / was wars das ihm der Herr geben wolte? Gegenwärtiges Stuck fein Kammer-Tuch / antwortet der Kerl / und zoge es damit hervor; die Frau beschauete und lobete es über allen Leinwat / und sagte / der Herr lasse es nur hier ich will es meinem Herrn schon zustellen / wann ihm die Mucken ein wenig verflogen / und ihm den Herrn nicht allein wider begütigen / sondern auch daran seyn / daß er deß Herrn Sach nach Mögligkeit befördern helffen soll; Wer war fröher als der gute Client? daß er sich bedancken dorffte umb die Ehr und Glückseligkeit die er genosse / daß man ihm das seinig so gar wider alle Billigkeit abnahm; Jch aber gedachte / das heist wol redlich / wasche mir den Peltz aber bey Leib und Leben mach mir ihn nicht naß.
Jch hatte mir vorgenommen gehabt / dergleichen Gottesvergessene Begebenheiten / so sich in meiner unsichtbaren Gegenwart hinfort zutragen werden / gleich gebührend abzustraffen / massen ich ins Schusters Hauß gethan / aber hier mangelt mir der Einfall / wie ich füglich handeln solte / daß beydes der so geschmieret und die so das Schmiral angenommen / ihren Theil bekämen / und sich besserten / nichts destoweniger durch meine Verfahrung keinen unter beyden unrecht geschehe; Jch gedachte / hat der Client einen gerechten Handel / warumb ertheilt ihm dann der Burgermeister nicht ex Offcio sein Recht ohne Verehrung? hat er aber Unrecht / warumb nimmt man dann Schmer an? Jtem hat der Kerl recht / warumb soll er dann jetzt durch Geschenck erst sein Recht kauffen? hat er aber eine faule Sach / warum verständigt man dann ihn nicht dessen bey Zeiten / und läst ihn mit seinen armen Leuten hinziehen?
Jn Verfertigung dieser meiner Calender sahe ich wol / daß meine unsichtbare Gegenwart nicht allemal bequem / noch mir das wunderbare Vogel-Nest verliehen worden wäre / alle der Welt Thorheit und Missethaten zu berafflen und abzustraffen / vornehmlich weil ich hier nicht wissen konte wer Recht oder Unrecht hatte / wer zu straffen oder unschuldig seyn mögte; Jch gedachte an Abrahams Spruch / den er dem reichen Mann in der Höll gab / da er umb eine Warnung an seine Brüder bath / nehmlich sie haben Mosen und die Propheten die laß sie hören; Was? sagt ich zu mir selbst / glauben und folgen diese dem offenbahrten Wort Gottes der heiligen Schrifft nicht / die ihnen täglich vor Augen liegt / auff welche sie von Jugend auff gewiesen worden / und die ihnen noch täglich vorgehalten / ausgelegt und dardurch ihnen der heilige Will GOttes erklärt wird / was wird dann deine hinflüchtige Stimme bey ihnen auszurichten vermögen / die sie zwar erschrecken / aber nicht bessern mögte; weil sie dieselbe eben so bald und vielleicht ehender für den Lauth eines teufflischen Gespenstes als vor ein treuhertzige Abwarnung halten und aufnehmen dörffen;
Derowegen liesse ich diese Leut seyn wie sie waren / und wünschte ihnen / daß sie so einen steiffen Vorsatz hätten umb Vermeidung der Sünden willen nicht allein die Gegenwart GOttes immer vor Augen zu haben / sondern auch wie ich hinfort zu thun mir vorgenommen / fleissig in der H. Schrifft nachzuforschen / und auß Betrachtung derselben zu lernen / wie wir hingegen GOtt ehren / ihn und den Nächsten lieben / und ihnen dienen solten;
Jn diesen Gedancken fieng mich an zu hungern und zu dürsten / wo nun nehmen ohne Sünd? sagte ich zu mir selbsten; ich hatte noch einen Schuncken / den ich in einem Closter außgefischt; das waren noch
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