Das wunderbarliche Vogel-Nest
alle meine Victualien / und weilen ich ihn nicht rechtmässiger Weise bekommen / so machte ich mir ein ängstig Gewissen darvon zu essen; doch dachte ich es ist besser / es werden auß den übrigen Reichthumen der Clöster die Hungerichen gespeiset / als solcher Uberfluß an unnützen Pracht / Pferde / Pferdszeug / Gutschen / Comödien / etc. verwendet; GOtt hat dich nicht in die Welt erschaffen Hunger damit zu leiden / sondern sein Gabe zu geniessen; Was wolts schaden / wann du gleich einem Becken ein Brod hinweg zwackest / deinen Magen damit zu füllen? Jsts doch den Hungerigen erlaubt / in ihren Nöthen / so viel die Speise anbelangt / zuzugreiffen? besser ists / du bedienest dich dessen / was dir die Rechte vergünstigen / als daß du wider den Willen GOttes / wider die Natur und wider weltliche Gesetze durch Hunger dein Selbst-Mörder werdest.
Also gedachte ich / und nahm indessen nicht wahr / daß diese Art die Sünde zu entschuldigen / ebenfalls auch Sünd ware; ich gedachte nicht daran / daß mir als einem jungen starcken Kerl vielmehr zustunde meine Nahrung mit arbeiten / oder sonst einer ehrlichen Handthierung zu gewinnen / als solche andern Leuten diebischer Weise abzumausen / vielweniger fiele mir bey daß es ein grosser Unterscheid wäre / zwischen demjenigen Elenden der weder arbeiten kan / noch etwas zu erarbeiten bekommen mag / und zwischen einem unsichtbar herumfahrenden Strolchen / wie ich damal war / der noch wol sein Unterhalt zu verdienen vermögte; davon jenem seines Leben Auffenthalt anzupacken erlaubet / diesem aber das Zuchthauß gebührt.
Jn solcher Unbesonnenheit nahm ich auff offenem Marck einem Becker ein Leib Brod / und vermeinte nicht / daß ich darmit sonderlich sündigte / sondern sprach damit meinem Schuncken dergestalt hertzhafft zu / daß sich mein Durst ehender als in einer halben Viertelstund darvon verdoppelt; deß lieben Rebensaffts wuste ich nicht zu bekommen / suchte derowegen Scheps oder Striger-Bier / und als ich dessen nach Gnügen antraff / füllte ich den Bauch so voll darvon an / daß ich ihn bey nahe nicht mehr zu ertragen vermögte; derowegen lude ich ihn auff einen Wagen / der dort fertig stund heimzufahren / zu mir setzten sich ein paar Bier schellig gesoffene Bauren / samt zweyen ihnen benachbarten Weibern / mit welcher feinen Gelegenheit ich noch desselben Abend 3. Stund Wegs heimwerts auff ein Dorff gelangte; Allwo ich in diese Kratzschmars Heuschober übernachtet.
Den folgenden Morgen lieffe ich wol drey Meil Wegs ungessen und ungetruncken als heimwerts zu / dann ich hatte wie oben gehöret / keinen Willen mehr zu sündigen / viel weniger den Juden oder sonst jemand sein Geld zu stehlen / sondern ich machte unterwegs allerhand Gedancken / wie ich hinfort GOtt vor Augen haben / mich bessern / fromlich leben / und zu Hauß meinen Handel und Wandel dergestalt anstellen wolte / daß ich das ewig Leben darbey erwerben mögte.
Unterwegs kamen zween Kerl zu mir / darvon war der eine Hännslein grosser Knecht / oder wolte es wenigst seyn / dann er schnitte auff von seinen weiten Räisen die er kürtzlich vollbracht / und mit höchster Gefahr überstanden hatte; er wolte seine Mutter-Sprach verzwicken / und Flamansch oder Westphälisch reden / wie jener Schwab unter dem Würtenbergischen Außschuß im Schwedischen Krieg! welcher als er im Prißgau ins Quartier zu liegen kam / zu seinem Wirth sagte / Vaer / geff mih wart tefretten hear; Als er aber seiner vergasse / ferners sagte / aun Vattar giehe mier aw a Braudt! Er kante keine halbe Batzen und Kreutzer mehr / viel weniger Groschen / Luzer / Schilling und dergleichen Müntz / sondern handelt nur mit Stüffern / Sterlings / Sols / Pölchen / Dütchen / Fettmenchen oder auffs wenigst mit Weispfennigen / gleichsam als wann er das meiste Theil Europæ mit Geldbettlen durchstrichen wäre / und erzehlte seinem Cameraden oder Wegeferten / was wunderseltzams Dings ihm auff seiner gefährlichen Räise zu handen gangen; wie er da und dort so manche Leib und Lebens-Gefahr überstanden / warffe auch bisweilen das Beyl so weit / daß ich selbst vor ihn sorgte / wo ers wieder finden würde; Vornemlich wars artlich zu hören / als er daher sagte / daß er eben wieder in seinem Vatterland sich genähert / da der Lottringer und Pfaltzgraf Churfürst zu seinem unseren am Rheinstrom Krieg miteinander geführt / weßwegen es vor die Räisende auff der Straß bey hellem Tag zu wandeln / gewaltig unsicher gewesen; dahero er dann auff
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