Das wunderbarliche Vogel-Nest
ehrlicher Leute Warnung / mit noch einem andern Wanders-Gesellen / der ein einfältig und forchtsames Schaf gewesen / mehrentheils bey Nacht den Weg unter die Füsse nehmen müssen / und einsmals in einem Wald verirret / darinnen sie wegen eines grossen Regenwetters schier ersoffen wären; doch hätten sie zu gehen nicht auffgehöret / biß sie von weitem ein Liecht gesehen / worauff er hinzu geschlichen / und seinen Cameraden fern darvon unter einem Baum stehen lassen.
Als er nun zu einem kleinen Häußlein kommen / darinn dieses Liecht gebrannt / hätte er durchs Fenster in die Stube gegucket / und darinnen ein junges Weibsbild gesehen / die eben zu Nacht gessen / und sich zum schlaffengehen accommodirt gehabt; Er hätte angeklopft und bey dem Menschen vor sich und seinen Gesellen umb Nachtherberg angehalten / solche auch erlangt / und seye diesem nach / wieder hingangen seinen Cammeraten zu holen / den er aber nicht mehr gefunden / weßwegen er allein wieder zum Menschen ins Häußlein umbgekehret / und von ihr in ein Bette zu sich hinter an die Wand zu liegen geheissen worden; darauff hätte er sich ausgezogen / und über das Weibsbild / so fornen im Bett gelegen / hinüber an seinen bestimmten Ort gestiegen / allda er zwar ein weil gelauret / aber gar nicht schlaffen können / sondern allerhand sorgliche und gewissenhaffte Gedancken gemacht / biß ihn endlich die Beobachtung seiner Keuschheit / wieder auß dem Bette genöthiget / unangesehen er eben neben offtbesagten jungen Weibsmenschen recht erwarmt gewesen; da hätte er nun seine Kleider geschwind zusammen gerafft / und darmit zum Hauß hinauß / was gibst du / was hast du? Hätte auch nicht auffgehört zu lauffen / biß er gegen Tag von einer Lottaringischen Parthey angetroffen / angepackt und auff einen Berg geführt worden / allwo eine gantze Compagnie Reuter von den Jhrigen die Wacht gehalten / und weil keiner unter ihnen gewesen / der mit ihme reden können / hätten sie ihm zwar zu trincken (denn sie einen Vierling voll Wein bey sich gehabt) darneben aber auch Nasenstüber gegeben / ihm den Hut gedrehet und ihn vor ihren Narren gehalten; Als der Wein aber außgesoffen gewest / hätten sie ihn in das Faß gesteckt / und den Berg hinunter rollen lassen / worinn er dann auff solcher Fahrt wie leicht zu gedencken / an Kopff / Arm und Beinen gewaltig zerstossen worden: das Faß seye endlich mit ihme in der Ebene auff einem Wasen / (muß ein Schind-Anger gewesen seyn / ) liegen blieben / auff welchen unlängst hernach zu seinem grossen Glück ein starcker Wolff kommen seye / der so lang umb das Faß herum zu schmecken gangen sey / biß er ihn zum Buntenloch herauß beym Schwantz erwischt / und zu schreien angefangen / weßwegen der Wolff mit ihm und dem Faß fortgeloffen / biß er zwischen zween nahe beysammen stehende Bäum kommen / da er ihn mit den Faß so überzwerg zu liegen kommen / abzustreiffen sich bemühet; hätte aber nichts ausrichten mögen / weil er den gefasten Schwantz so hertzhafftig gehalten; unlängst hernach hatte er einen Fuhrmann sich nähern gehört / weßwegen er grausam erbärmlich umb Hülff zu schreien angefangen / darauff der Fuhrmann seinen Knecht hingeschickt zu sehen / was da zu thun seyn mögte / als aber der Knecht das Abentheuer gesehen / und sich auß Furcht dem Faß nicht genähert / seye der Fuhrmann endlich selbst kommen / hätte sich aber eben so furchtsam und erschrocken angelassen als der Knecht selbsten / indem er von fernen gestanden / und beydes Wolfs und Faß vor ein Hexen-Gespenst gehalten / biß er zu letzt seinen Rosenkrantz zum Zapffenloch herauß gereckt / und geschrien er wäre ein Christenmensch / man wolle ihn doch auß dem Faß und von dem Wolff erlösen; Worauff Meister und Knecht mit einer Axt zugelauffen und den Wolff todt / das Faß aber auffgeschlagen / und also den guten Monsieur Raphanum (dann also heist der Herr dem dieser Poß widerfahren) wiederumben auff freyen Fuß gestellet und aus fernerer Gefahr erledigt haben.
Wie nun deß Raphani Räisegefehrt auß den Geberden erscheinen liesse / daß er in der Wahl stunde / ob dieser Erzehlung zu glauben wäre oder nicht / erzörnete sich Monsieur Raphanus / und fragte jenen / ob er dann seiner Red nicht glaubte? oder ob er vermeinte / daß diese Geschicht nicht wahr wäre? Jener antwortet: ich glaub dem Herrn freylig gern / und wann diese Geschicht gleich nicht wahr wäre / so ist sie doch lustig zu hören / taugt auch ziemlich den Weg zu kürtzen;
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