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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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bist du / damit ich dir umb deine Wolthaten dancken möge; ich sagte / ich bin kein Engel / sondern eine Stimm / die dir GOtt auß seiner grossen Barmhertzigkeit zugesendet / damit du dich zu ihm bekehren und leben mögest / dem dancke / und folge dem Geheiß / der dich zu der Priester Wort und Rath weiset / mit festem Vertrauen / daß dich GOtt wieder zu Gnaden aufnehmen werde / dann wann solches nicht wäre / so würde er mich dir nicht zugeschicket haben / so du bey dir selbst wol bedencken / dein Buß und Besserung gar nicht auffschieben / sondern nach Erkantnüß der empfangenen Wolthaten GOtt eyferigst hierum dancken sollest.
    Jch setzte mir über das noch vor / bey dem Hirten zuverbleiben / umb zuverhüten / damit er / dafern er vielleicht wiederumb angefochten würde / weder die eine noch andere Sünde begieng / biß er wieder auß der Einsamkeit zu Leuten käme und Priester haben könte.
    Jndessen aber schlug ich auch in mich selber / weil ich mich selbst keines guten Gewissens getrösten konte; Wer bist du? sagte ich zu mir / der du in diesem Sünden-Schlamm steckest biß über die Ohren / und wilst andern den Weg zum Himmel weisen; hast du doch noch nicht einmal an deine eigene Bekehrung gedacht? und bist so kühn andere zu lehren / was du selbst zu deiner Seelen Heyl niemal von Hertzen zu thun unterstanden? wird es dir nicht zu einer viel schwerern Verdamnüß gereichen / wann dieser elende unverständige Hirt / der vielleicht auß lauter viehischer Unwissenheit und Bestialität gesündigt / sich auß deinem Zusprechen zu GOtt bekehret hat / du aber / der du auß GOttes Gnaden Gutes und Böses zu unterscheiden / und was du zu thun und zu lassen gehabt / genugsam vorhero gewust / nicht allein nicht auffgehört zu sündigen / sondern auch nicht einmal angefangen dich zu bessern? wird es dir / du vernünfftiger und genugsam wissender Unmensch / nicht deine Verdamnüß vergrössern / wann diese deß Hirten Einfalt an jenem erschröcklichen grossen Tag solcher massen wider dich zeuget / indem sie das Kräntzlein der Büssenden / einer paar Wort willen / die sie auß deinem gleichwol sündigen Maul gehöret / und ihr solche zu Nutz gemacht / darvon trägt? du aber / der du noch mehrers und viel eigentlicher das ein und andere gewust / zur Höllen hinunter wanderst?
    Weist du auch / sagte ich ferners zu mir / wie du volle Sau gleichsam als ein unvernünfftiges Thier die verwichene Nacht zugebracht / und wie ein geiler Bock und wider Natur strebender Satyrus (deren Gestalt Annehmung den höllischen Geistern zum höchsten beliebet) eine unbefleckte Jungfrau / die du zwar nicht kennest / ihres allerbesten Kleinods beraubt hast? und zwar / welches entsetzlicher ist / stracks nach dem Augenblick / als dich dein getreuer GOtt durch Vorstellung anderer Leute / ihnen selbst verderblichen Exempeln (daran du dich billich hättest spiegeln sollen) gelernet / daß du seine Gegenwart allweg vor Augen haben und zu deinem Nutz ehren soltest? Du vermummtes Ungeheur / der du dich dem Fürsten der Finsternüß gleich gemacht / und vermittelst deines sündigen Leibs einen solchen unerhörten Betrug gespielt hast / den der böse Geist selbsten nicht ins Werck setzen mögen; du möchtest dir wol einbilden / das gute Mädgen hätte es gern gehabt / und seye mit deinem Beginnen wol zu frieden gewesen; aber betrüge dich selbst nicht / du weist deinen Auffzug / die Gelegen- und alle Beschaffenheit / welche so bestellt gewest / daß auch die Keuschheit selbst (wanns anders möglich wäre sie zu berücken) vor dir nicht sicher gewesen wäre noch bestehen mögen.
    Mithin trieb der Hirt seine Heerd heim und ich folgte neben ihm den andern vierbeinigten Bestien nach; Jener seufftzet und ich weinet; ich folgte ihm biß in seine Hütten / allwo er Geisseln und Stecken sampt der Hirten-Täsche von sich thät / und der Kirchen und dem Pfarrhof zueylete; da er zwar den Sigriß aber nicht den Pfarrer zu Hause fand / als welcher in der Nachbarschafft einen Schmauß hatte / und er erst auff die Nacht sternvoll gesoffen heim kam; also daß der arme Viehirt denselben Tag wenig Hülff und Trost von seinem Seelen-Hirten zu hoffen hatte / sondern die erste Hitz seiner Gnaden-Zeit und brennenden Bekehrungs-Begierden / die ihm GOtt so gütiglich verliehen / seines Seelensorgers Wachen / vergeblich und umbsonst verstreichen lassen muste; worüber ich in meinem Hertzen heimlich schmelete / und ich weiß aber nicht wen / fragte / was ist mir das vor ein

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