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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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zuvor die Sicherheit deß Wegs / den es nehmen wolte / ob kein Raubvogel vorhanden der es mit Federn und allem darvon führen möchte!
    Du leichtfertiger / thumer Mensch / sagte ich zu mir warumb bist so kühn / von dir zu glauben / daß du mit andern Menschen vernünfftig seyest / und erzeigest doch zu deiner selbst Erhaltung nicht so viel Verstands und Vorsichtigkeit als dieser geringen Creatur die doch sonst nichts als ihr sorgfältigs Leben: und kein ewige Cron / wie du / zuverliehren: die nach ihrem Todt kein ewige Verdamnuß / wie du / zubesorgen hat?
    Jn diesen Gedancken setzte ich mir vor hinfüro von allen Creaturen dergleichen so etwas zu lernen / das mir zur Beförderung meiner Seeligkeit ersprießlich seyn möchte / dann ich konte ja auß diesem eintzigen Exempel wol abnehmen / daß die Göttliche Güte dieselbe nicht allein zu unserer Speise und zu unserm Wollust erschaffen; zumalen auch theils deren zu unserer Nahrung gantz unbequem und gifftig seynd / anderer Beywohnung aber gantz unlustig / schädlich / abscheulich und gefährlich ist;
    Gleich darauff sahe ich eine grosse häßliche Krott dorther waltzen / welche ich weis nicht / vor übriger Feustigkeit oder vor übrigen Gifft oder umb willen sie den Wanst voller Laich hatte / kümerlich kriechen vielweniger einer ihro nacheilenden Schlange eintrinnen konte / die sie grad vor mir erdappte und verschluckte! diese beyde abscheuliche Würme erinnerten mich billich / daß ich meinem Allergütigsten GOtt unaufhörlich zudancken schuldig wäre / umb willen er mich zu keinem solchem Scheusall / sondern zu einer vernünfftigen Creatur / die der ewigen Seeligkeit mit den heiligen Engel fähig wäre erschaffen hatte.
    Gleichwie nun ich zuvor langsam an diese billiche Dancksagung gedacht / also lernete ich auch von dieser Krott / daß ein Mensch der mit Hoffart beladen (an welche mich ihr gravitetischer Gang ermahnte) oder einer der wie ein Schwein sich Tag und Nacht mit übrigem Fressen und Sauffen mästet: oder einer der dem gifftigen Neid / Haß und Zorn ergeben: oder einer der immer den fleischlichen Wollüsten abwartet: oder einer der sich auß Geitz mit zuvielen zeitlichen und vielleicht unrechtmässigen Reichthumen beladen hat / oder einer der auß fauler Trägheit die Himmelstrasse nicht lauffen mag / beynahe dieser Krotten gleiche / und der Schlang / dem höllischen Drachen schwerlich entrinnen möge.
    Weil mir nun diese meine Gedancken eine scheinbarliche Frucht zeigten / die sie mitbrachten; Sihe so verfolgte ich sie weiters / ja ich kam so weit / daß ich nicht allein von den sichtbarlichen Creaturen: sondern auch von dem abgesagten Ertz-Feind deß Menschlichen Geschlechts / dem Teufel selbst zu lernen unterstunde!
    Dann als ich betrachtet / was massen dieser leidige Widersacher allein auß lauter Neid und Mißgunst mit unverdrossener Mühe / unaußsetzlichem Fleiß / tausentfältigen Listen / Betrügereyen und unersinnlichen Vörtheiln / uns Menschen so ernstlich nachstellet / uns in Sünde: und also umb die Göttliche Huld / Gnad und ewige Seeligkeit zubringen / davon er doch kein intresse , keinen Nutzen / keinen Gewinn / keine Belohnung noch etwas anders oder ichtwas dergleichen zuhoffen hat / daß ihn contentir en möchte / ohn allein daß er hiemit dem Allerheiligsten Willen GOttes zuwider (gleichsam so zu reden / GOtt zum Verdruß und Trutz) seinen boßhafftigen Willen zu vollbringen suchte;
    Da gedachte ich du blinder Mensch! der du nach diesem Leben nur eins auß zweyen: nemlich den Himmel oder die Höll; das ewig Leben oder den ewigen Todt: ein immerwehrende höllische Qual oder ein immerwehrende himmlische Freud und Wonne: die allerseeligste Anschauung Gottes und seiner lieben Engel und Außerwöhlten oder die Beywohnung der erschröcklichen höllischen Geister und aller Verdammten vor dir stehen und zugewarten: und über diß alles die Wahl unter beyden hast? Warumb läst du so viel Stund / so viel Tag! so viel Wochen / Monat ja (ach leider) so viel Jahr hinstreichen / in denen du nicht einmal hieran gedenckest? da doch der leidige Satan keine Minut feyert dich umb deine Seeligkeit zu bringen / sondern unaufhörlich herumb gehet / und suchet welchen er verschlingen möge. Ach du unbesonnener Mensch! sagte ich ferner zu mir: Warum bedenckest du doch nicht wer du bist / wer du gewesen bist / und was du werden kanst / oder endlich werden must! warumb machst du dir doch diese Gnaden Zeit / die dir die Göttliche Mildigkeit verleyhet deiner

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