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Das wunderbarliche Vogel-Nest

Das wunderbarliche Vogel-Nest

Titel: Das wunderbarliche Vogel-Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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Seelen Heil zu würcken / nicht besser zu Nutz? in welcher der Teufel so gar nicht feyert dich zu ihm in die ewige Verdamnuß zu ziehen.
    Als ich so verstaunet dort sasse / fieng eine Nachtigal auff den Baum / darunter ich mich befande / so lieblich anzuschlagen / daß es einen jeden / der nicht mit solchen Gedancken wie ich beladen gewesen / daß Hertz im Leibe hätte erfreuen mögen / zwar so zerstörte mir die angenehme Lieblichkeit ihres Gesangs auch mein unter Handen habendes Concept / und verursachte / daß ich nachsanne was ich bey ihr und ihrem frölichen Gesang zu lernen hätte?
    Was fragst du? antwortet ich mir selbsten / sie reitzet dich zum Lob deines Schöpffers! O wer? sagte meine Sinnlichkeit zu mir / sie hat gut singen / sie hat gut singen / sie hat keine Schulden zu bezahlen / wann sie aber in solchen Gewissens-Aengsten steckte wie ich / so würde sie die Pfeiffe bald fallen lassen. Unverständiger Esel / antwortet hingegen meine Vernunfft / weist du nicht daß ein betrübter Geist und geängstigtes Hertz ein Opffer Gottes ist? vermeinest du nicht / daß deine Traurigkeit / deine betrübte Buß-Thränen und dein Leidwesen / umb daß du Gott erzörnet hast / dem Schöpffer eben so angenehm seyen als dieser Nachtigal Gesang? vornemlich wann dich dieser Schmertz auß Liebe zu Gott rühret / wann dich reuet / daß du deinen allergütigsten Schöpffer beleidigt hast / und wann du einen steiffen Vorsatz hast dich zu bessern / und Gott nimmermehr zuerzörnen.
    Geschwind stehe auff / lauff / und eile unverzüglich / dich durch eine wahre Buß dieser freymütigen und frölichen Nachtigal wieder gleich zu machen / reinige dein Hertz durch die Beicht / und lasse die Sünd durch die Absolution vertilgen / alsdann wird dein getreuer Gott / der dich so holdselig hierzu einladet / dich Freude und Trost hören lassen / daß deine zerschlagene Gebein frölich wieder werden / er wird in dir ein reines Hertz schaffen / einen rechten Geist in dir erneuern / und dich mit seinem kräfftigen Geist bestattigen; alsdann wird er deine Lippen auffthun / und belieben daß dein Mund sein Lob verkündige / alsdenn wird er annehmen das Opffer der Gerechtigkeit / der heilige HErr / der sonst alles Lob derjenigen Sünder verwirfft / die ihre Mangel und schändliche Befleckungen nicht solcher Gestalt / durch Krafft deß allerheiligsten Bluts / welches das unschuldige Lamm deßwegen vergossen / wiederumb abwaschen.
    Solche und dergleichen Sachen handierte ich damal in meinem zerstörten Gemüth / und damit ich dasselbige ehistens wieder zurecht bringen / und mein gantzes mich vermittelst Göttlicher Gnaden Beystands in eine Beschaffenheit setzen mögte / die Gott angenehm und gefällig wäre; so nahm ich meinen Weg in aller Eil heimwarts / mich den Priestern zu zeigen / ihres Raths zu pflegen und deren Geboten als den Geboten Gottes an dessen Statt sie sitzen / mich in aller Demuth zu unterwerfen.
    Passirte demnach in der grösten Mittags-Hitze durch ein Dorff darinnen eben ein Metzger abstieg und sein Pferd vor einem Hauß an einen Armsdicken Stützen bande / auff welchem ein Jmmenstock ruhete; Jch kam eben darzu als ein Jmmlein diesen fremden Gast umb die Ohren schnurret / welches das Pferd nicht leyden wolte / sondern mit dem Kopff zuruck schnellet / und den Stützen woran es gebunden unten am Boden / da er zimlich faul und versporrt war / entzwey brach; Pordutz lag der Bienstock auff dem Boden! welches die Honigmacher dermassen erzörnte / daß sie umb solcher ihrer Reichs-Zerstörung willen an dem armen Pferd grausame Rache zu üben Armee-weis mit ihren Stacheln gleichsam wie mit eingelegten Lantzen darauff loß flogen; Jch fande mich zu allem Unstern / wie oben gemeldtet / eben bey dieser Recontre / und vermeinte vor den zornigen Jmmen eben so sicher als unsichtbar zu seyn; aber weit gefehlet / dann in dem mich selbige nicht sahen / sondern durch meinen Leib wie durch den andern freyen Lufft zu fahren vermeinten / fienge ich in einem huy ein par hundert Angel auff / die mehrentheils mir beydes durch Hemd und Haut gieng / weil ich der grossen Hitz wegen mein Wams ausgezogen und über den Buckel gehengt hatte; Was ich damals vor Schmertzen und Pein außstünde / ist weder zu sagen / noch zu beschreiben noch zu glauben; allein kan mans bey dem Pferd beyläuffig abnehmen / welches vor unleidenlicher Qual gantz wüdig wurde / im Dorff hin und wieder herumb rennete und sich so erschrecklich anliesse / daß mans endlich todt schiessen

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