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Das zarte Gift des Morgens

Das zarte Gift des Morgens

Titel: Das zarte Gift des Morgens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanova
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es zeitlich nicht hin. Seinen Wagen hat er in der Garage neben dem Haus geparkt, das haben wir überprüft. Er ist nach oben in seine Wohnung gegangen und hat sich ins Bett gelegt. Dann wurde ihm schlecht. . .«
    »Habt ihr seinen Freunden schon etwas von dem Gift gesagt?«, warf Katja ein.
    Kolossow schüttelte den Kopf: »Das werden wir später tun. Alles zu seiner Zeit.«
    »Es handelt sich also um einen Mord.« Katja holte tief Luft. »Einen Giftmord . . .«
    Der Dampfer hatte gerade wieder angelegt. Eine lärmende Gesellschaft stieg zu.
    »Aber halt – wenn er um diese Zeit im Restaurant war . . . Was ist dann mit dem Mädchen, von dem du mir vorhin erzählt hast, dieser Sascha Maslowa, die behauptet, irgendein Iwan Grigoijewitsch habe Studnjow umgebracht?«
    »Das finden wir noch heraus«, antwortete Nikita. »Du magst es doch, wenn es viele verschiedene Varianten gibt.«
    »Und du magst es nicht«, sagte Katja.
    »He, ihr da, rupft ihr Gänseblümchen – sie liebt mich, sie liebt mich nicht?«, ertönte hinter ihnen eine laute Männerstimme. »Hör mal, Sportsfreund, ich glaube, du bist hier überflüssig. Sie liebt dich nicht. Mädel, hier steht dein Kavalier -wollen wir uns nicht bekannt machen?«
    Katja und Kolossow drehten sich um. Die beiden Bänke auf der gegenüberliegenden Seite des Decks waren von der neu dazugekommenen Gruppe besetzt worden – vier jungen Burschen. Von unten aus dem Schiffsinneren, wo sich die Bar befand, hörte man weitere Männerstimmen und das melodische Gelächter von Frauen.
    Der Mann, der Katjas Bekanntschaft machen wollte, war breitschultrig, kahl rasiert, jung und völlig betrunken.
    »Verschwinde«, sagte Kolossow zu ihm und legte der verdatterten Katja seinen Arm um die Schultern. »Dieser Platz ist vergeben.«
    »N-nicht mehr lange. Jungs, hergehört!«
    Zwei weitere Männer standen auf. Neugierig beobachteten sie die Szene, bereit, sofort einzugreifen.
    Kolossow seufzte und stand ebenfalls auf.
    »Gut«, sagte er, »ihr habt mich überredet, aber lasst uns nach unten gehen.«
    »Du kannst abschwirren, aber das Mädchen bleibt hier«, sagte der Erste, der »sich bekannt machen« wollte, im Hochgefühl der eigenen betrunkenen Würde.
    »Na schön«, stimmte Kolossow geduldig zu, »wie du willst, dann eben hier.«
    Bauz! Katja wusste erst gar nicht, was passiert war. Der, der Bekanntschaft mit ihr schließen wollte, flog wie ein Kreisel unter Geheul und Gefluche die Treppe hinunter. Der zweite, der sich auf Kolossow stürzen wollte, wurde gegen die Reling geschleudert.
    »He, unsere Jungs kriegen Dresche!«, schrie der dritte gellend. »He, Kumpel!«
    Der vierte, der am stärksten und am betrunkensten war, ging auf Nikita los wie der Stier aufs rote Tuch und verhieß ihm wollüstig: »Pass auf, jetzt schlag ich dich tot!«
    »Hört auf!«, kreischte Katja. »Rowdys!«
    Von unten polterten laute Schritte herauf. Der vierte Angreifer holte weit aus. Was für ein Schlag! Kolossow hatte einen Sekundenbruchteil zu lange gezögert und flog jetzt selbst krachend gegen die Reling.
    Wer weiß, wie der Kampf geendet hätte, wären nicht in diesem Moment drei kräftige Matrosen und der Kapitän persönlich aus dem Holzverschlag gekommen (Katja erschrak bei ihrem Anblick noch mehr – wenn alle hier oben an Deck waren, wer stand dann unten am Steuer? Und gleich kam die Metrobrücke!).
    »Ruhe!«, schnauzte der Kapitän so laut, dass es über den ganzen Fluss schallte. »Hört auf mit dem Radau!«
    Die Matrosen schubsten die Raufbolde nach unten in den Schiffsrumpf und Kolossow zur Gesellschaft gleich mit.
    »Zum Teufel mit euch!«, brüllte der Kapitän. »Hier wollen die Leute sich erholen, und ihr poliert euch die Fresse! Runter mit euch, alle miteinander!«
    Der Dampfer legte an der kleinen Haltestelle hinter der Metrobrücke an. Man beförderte sie unsanft von Bord.
    »Na und wenn schon«, knurrte Nikita. »Was bildet der sich ein mit seiner erbärmlichen Schaluppe?«
    »Genug«, flehte Katja. »Es reicht! Ich will nach Hause!«
    Sie schaute sich um – finstere Nacht. Links war eine Baustelle, über ihnen die Metrobrücke. Dort schrien Arbeiter, sprühten Schweißgeräte Funken, klopften Hämmer, summte ein Kompressor. Rechts lagen waldige Hügel. Zu ihren Füßen glänzte die Moskwa, ruhig und tiefschwarz wie Tinte.
    »Verdammt, mein Auge«, hörte sie Kolossow fluchen. Das linke Auge des Chefs der Mordkommission war angeschwollen und leuchtete in sattem Violett.
    »Weißt du

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