Das Zauberer Handbuch
zurückkehrt, und so gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie die Welt auf ihn reagieren kann – und umgekehrt. In STAR WARS wird nach der Vernichtung des Todessterns erst mal ordentlich gefeiert, während sich Frodo nach allem, was er erlebt hat, im Auenland nicht mehr recht zu Hause fühlt. Und der beherzte Alphart aus LAND DER MYTHEN erkennt, dass diese neue, friedliche Welt nicht seine ist und zieht seines Weges.
Dass die Mythen dieser Welt diesem Muster unterworfen sind, hat Campbell schlüssig nachgewiesen; natürlich folgt nicht jede Sage und jedes Märchen allen neun Stationen, bisweilen werden welche übersprungen oder besondere Aspekte aus dem »Monomythos«, wie Campbell ihn nennt, herausgegriffen. Doch in der einen oder anderen Form sind es immer wieder diese Strukturen, die in den Erzählungen der Menschheit auftauchen, und die Begründung dafür ist letztlich in der Psyche des Menschen zu suchen, wie die von C.G. Jung begründete Traumforschung nachgewiesen hat.
So verblüffend diese Erkenntnisse sind, werden sie noch um einiges eindrucksvoller, wenn man Campbells Muster auf die populären Mythen unserer Tage anwendet, denn es fällt nicht schwer, seinen Heldenzyklus in erfolgreichen Filmen, Comics und Büchern unserer Zeit zu entdecken. Über STAR WARS haben wir schon wiederholt gesprochen – George Lucas war wohl der erste Filmemacher, der Campbells Erkenntnisse bewusst für sich genutzt hat.
Ob Joanna K. Rowling Joseph Campbell kannte oder nicht, als sie ihren ersten HARRY POTTER-Roman schrieb, entzieht sich meiner Kenntnis, allerdings folgt auch sie bis ins Detail den mythischen Grundstrukturen: Der kleine Harry lebt einen in Unordnung geratenen Alltag bei den Dursleys, ehe er von Hagrid zum Abenteuer gerufen wird. Er erfährt das Geheimnis seiner Herkunft, zögert aber noch, bis die äußeren Bedingungen ihn schließlich dazu drängen. Am berühmten Bahnsteig 9¾ überschreitet er die Grenze zur magischen Welt und begegnet fortan Helfern und Gegnern und muss zahllose Prüfungen bestehen, und das im wörtlichen Sinn, schließlich ist Hogwarts eine Schule. Der Stein der Weisen taucht als das »Elixier« auf, als das Objekt, das es im ersten Band zu erringen gilt, und indem Harry in dunkle Grüfte hinabsteigt und das Zauberschach besiegt, gelingt es ihm, seine Mission zu erfüllen und als Held wie als Mensch zu reifen … bis zum nächsten Abenteuer. Nicht nur jeder einzelne Band, auch die HARRY POTTER-Saga insgesamt folgt dem von Campbell beschriebenen Muster, wobei insbesondere die Stationen drei bis acht sich stetig wiederholen und einer allmählichen Steigerung unterworfen sind: Geht es für Harry und seine Freunde zu Beginn noch um eher kindliche Werte wie gute Zensuren, ein gutes Abschneiden beim Quidditch oder gerechte Behandlung durch die Lehrer, dreht sich nachher alles um das nackte Überleben und den ultimativen Kampf zwischen Gut und Böse.
Fünf Phasen
Zugegeben, ich bin nicht der Erste, der sich von Campbells Forschungen inspirieren ließ und seine eigenen Regeln zur dramaturgischen Planung daraus erstellt hat. Der bekannteste Vertreter der Campbellschen Schule ist sicher der schon erwähnte Christopher Vogler, der die Regeln des Mythos konsequent auf das Hollywood-Kino übertragen hat. Ich bin ganz ähnlich verfahren, habe die Grundprinzipien des Mythos nach meinen Bedürfnissen ergänzt und verändert und daraus einige Regeln abgeleitet, die insbesondere für die Fantasy gelten. Dieses vereinfachte Modell unterteilt sich, ähnlich wie das aristotelische Theatermodell, in fünf Phasen, nämlich:
1) Auftrag
Der Ruf des Abenteuers erreicht den Helden – der davon freilich noch gar nichts mitbekommen muss. Dass Balbok und Rammar losgeschickt werden, um die Rückkehr des Dunkelelfen nach Erdwelt zu ermöglichen, ahnen die beiden nicht – ebenso wenig, wie sie nachher verstehen, dass sie die Welt gerettet haben. Auch Granock, Aldur und Alannah können in DIE ZAUBERER – DIE ERSTE SCHLACHT noch nicht wissen, dass ihre Mission in den Dschungel von Arun Ereignisse auslösen wird, die die Geschichte von Erdwelt grundlegend verändern wird; geschweige denn, dass sie selbst der Schlüssel dazu sein werden.
Hier liegt großes Spannungspotenzial: Je verrätselter und gefährlicher der Auftrag ist, desto interessanter wird er für den Leser – und natürlich muss es nicht immer das sprichwörtliche Zauberschwert sein, nach dem der Held suchen muss. Es kann sich auch um
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