Das Zauberer Handbuch
zu zeigen, dass DIE ZAUBERER, obwohl im selben Universum angesiedelt wie die ORKS-Trilogie, doch einen eher düsteren und ernsthafteren Tonfall anschlägt.
Wie ein Held auch dunkle Züge haben und mit Makeln behaftet sein kann, muss natürlich ein Schurke auch nicht ganz und gar von Bosheit durchdrungen sein – die realistischeren, plastischeren Figuren erreichen wir, wenn wir genauer differenzieren und den Leser auch Anteil an den Motivationen des Feindes haben lassen. Das gilt freilich nicht für alle Facetten der Fantasy in gleichem Maße. Bösewichter, deren Motivationen für den Leser verständlich gemacht oder sogar nachvollziehbar werden, wären in heroischer Fantasy à la CONAN völlig fehl am Platz, während die sinistren, Zauberformeln murmelnden Bösewichter Howard’scher Prägung in einem Roman von George R.R. Martin wie Fremdkörper wirken würden. Was letztlich am besten passt, unterliegt der Entscheidung des Autors. Bedenken sollte man nur, dass Feinden, deren Handlungsweise für den Leser verständlich gemacht wird oder die gar sympathische Züge aufweisen, zwangsläufig eine gewisse Tragik innewohnt, da sie dem Helden ja unterliegen und letztendlich scheitern müssen, wenn das kosmische Gleichgewicht wiederhergestellt werden soll.
Natürlich könnte man die Geschichte auch einmal anders ausgehen und die Widersacher des Helden triumphieren lassen – aber mal abgesehen davon, dass man ein Tabu gebrochen und es einmal »ganz anders« gemacht hätte, wäre nicht viel erreicht. Die Problematik wäre dieselbe, die sich auch bei der Parodie stellt – dass die Ausnahme von der Regel nur aufgrund der Regel möglich ist.
Hauptfiguren vs. Nebenfiguren
Natürlich kann man nicht allen Figuren, die in einem Roman auftauchen, dieselbe Aufmerksamkeit schenken – schon deshalb nicht, weil es zu viel Platz in Anspruch nehmen würde, die Vergangenheit jeder einzelnen Figur aufzurollen, ganz zu schweigen davon, dass das den Leser wohl auch kaum interessieren würde. Die Zeiten, in denen ein Autor (wohlgemerkt in der Unterhaltungsbranche) seinen Haupthandlungsstrang verlassen und sich mal eben für siebzig oder achtzig Seiten einer Nebenhandlung widmen konnte, sind unwiderruflich vorbei. Der heutige Leser verlangt nach einer Geschichte, die zwar durchaus mit komplexen Figurenkonstellationen aufwarten und überraschende Wendungen besitzen kann, im Bezug auf die Hauptcharaktere und ihre Motivationen jedoch jene Zielstrebigkeit aufweist, die man auch aus Filmen kennt: Wenn Indiana Jones in JÄGER DES VERLORENEN SCHATZES nach Nepal fliegt, wenn er seine Jugendliebe Marion Ravenwood aus den Fängen der Nazischergen befreit, wenn er nach Kairo reist und seinen Freund Sallah trifft, wenn er sich in den geheimen Kartenraum schleicht und in der Wüste Ausgrabungen anstrengt, wenn er sich auf eine halsbrecherische Hetzjagd einlässt, sich an das Periskop eines deutschen U-Boots bindet und schließlich sogar in die Uniform des Feindes schlüpft – dann tut er all dies letztlich, um die ihm gestellte Mission zu erfüllen, nämlich die biblische Bundeslade zu finden. Diese Beschränkung auf das Wesentliche ist schon aufgrund der begrenzten Spielzeit, die ein Film nun einmal hat, unbedingt erforderlich – in rund hundertundzwanzig Minuten eine komplette Geschichte zu erzählen, die den Zuschauer in den Bann zieht und ihn auf eine dramatische Reise mitnimmt, ist ohnehin schwer genug. Gäbe es nun auch noch Nebenhandlungen, die man in größerem Umfang berücksichtigen wollte, würde das den Rahmen der zur Verfügung stehenden Erzählzeit sprengen.
So unbefriedigend das aus der Sicht eines Autors sein mag (es ist letztlich auch der Grund dafür, dass wirklich große Stoffe in den letzten Jahren vermehrt nicht für die Leinwand, sondern als Mehrteiler für das Fernsehen adaptiert werden), so sehr hat es die Wahrnehmung der modernen Leserschaft geprägt, und man tut als (Unterhaltungs-)Autor gut daran, diesen Gewohnheiten entgegenzukommen und genau zu überlegen, wie viel Aufmerksamkeit man jeder einzelnen seiner Figuren widmen, wen man zum Charakter ausarbeiten und wen man in seiner archetypischen »Funktionsrolle« belassen möchte.
Den Helden und ihren Widersachern wird notwendigerweise breiter Raum einzuräumen sein, da nur so der zentrale Konflikt der Geschichte hinreichend dargestellt werden kann. Darüber hinaus muss man jedoch sehr genau abwägen, welche Person man dem Leser näherbringen will und welche
Weitere Kostenlose Bücher