Das Zauberer Handbuch
Figur entgegenwirken – das macht unsere Charaktere um vieles interessanter und lebensechter. Eine Heldenfigur, in die sich auch dunkle Züge mischen – ich muss da fast reflexhaft an BATMAN denken – tendiert dazu, interessanter zu sein.
Auch darf ein Held ruhig mit einem Fehler behaftet sein oder eine verwundbare Stelle haben. Was wäre Siegfried ohne das Lindenblatt, das während des Bades im Drachenblut vom Baum fällt und dafür sorgt, dass eine verwundbare Stelle zurückbleibt? Was wäre Superman ohne das Kryptonit, das seine übermenschlichen Kräfte zu brechen vermag? Was Indiana Jones ohne seine Angst vor Schlangen? Was der strahlende Achill ohne seine Ferse, nach der diese Art von Heldenschwäche benannt wurde? Protagonisten, die offenkundige Schwachstellen aufweisen, machen die Geschichte nicht nur spannender, sondern stehen uns auch menschlich näher. Denn dass wir alle mit Fehlern behaftete Wesen sind, wissen wir aus Erfahrung nur zu gut, und es hat etwas Tröstliches, wenn auch die Heroen unserer Bücher nicht ohne Fehl und Tadel sind.
Von den Szenen abgesehen, in denen unsere Helden mit Furcht und Zweifeln kämpfen, werden ihr Handeln und ihre Gedanken aber auf das Erfüllen der Mission hin gerichtet sein. Wenn wir dem Leser Einblick in die Gedankenwelt unserer Figuren geben, dient das meist dazu, Handlungen zu begleiten oder sie vor- oder nachzubereiten, was völlig legitim ist. Aber Vorsicht: Langeweile in Romanen entsteht oft dadurch, dass die Figuren ihre Pläne zunächst in allen Details schmieden und dann noch einmal minutiös deren Ausführung beschrieben wird. Solche Wiederholungen sollte man vermeiden. Im Zweifelsfall würde ich stets dem stärkeren Ausdruck den Vorzug geben und Eigenschaften, wo immer es möglich ist, durch Handlung darstellen.
Auch Sprache ist natürlich eine Form der Handlung, und wir haben die Möglichkeit, die Absichten und den Charakter einer Figur im Wortwechsel mit anderen Figuren zu vermitteln. Dabei geht es nicht nur um das, was jemand sagt, sondern mitunter auch um das, was er oder sie nicht sagt; wenn eine Figur einer anderen Figur gegenüber etwas verschweigt, kann das wichtige Rückschlüsse auf ihr Wesen oder auf ihre Absichten zulassen. Auch kommt es darauf an, wie jemand etwas sagt – wenn Prisca in SPLITTERWELTEN Kalliope nach langer Trennungszeit mit der Begrüßungsfloskel der Gilde empfängt und sie ganz förmlich fragt, ob die Schwingen des Windes ihr gewogen waren, so ist es ganz offenkundig nicht mehr die Jugendfreundin von einst, die spricht, sondern die eiskalte Inquisitorin.
Zur unterschiedlichen Wirkung von Sprache habe ich ja schon an anderer Stelle einige Dinge gesagt – Sprache charakterisiert natürlich auch ihren Sprecher. Verschiedene Figuren unterschiedlich sprechen zu lassen, kann zur Glaubwürdigkeit beitragen, bisweilen aber auch einfach nur witzig sein. In meinen ORKS-Romanen sprechen die vermeintlich weit über den Dingen stehenden Elfen natürlicherweise anders als die grünhäutigen Helden, die schon mal Wörter wie umbal (Idiot) oder shnorsh (Sch…) ausstoßen. Und in DIE ZAUBERER befleißigt sich der sich telepathisch verständigende Kobold Ariel eines anderen Tonfalls als der völlig eingeschüchterte Granock, was zu diesem Wortgefecht führt:
Granock blieb eine Antwort schuldig – nicht etwa, weil ihm keine Erwiderung eingefallen wäre, sondern weil ihm erst jetzt aufgefallen war, dass die Lippen des Kobolds fest geschlossen blieben, während er sprach, und dass er die Stimme des Knilchs nur in seinem Kopf wahrgenommen hatte.
» W-was ist los mit mir? « , fragte er verblüfft und griff sich instinktiv an die Ohren. » Verliere ich jetzt den Verstand? «
» Kaum « , versetzte der Wicht prompt. » Was man nicht hat, kann man nicht verlieren. «
» Du sprichst mit mir, aber ich höre dich nicht. Das ergibt keinen Sinn …«
» Nein « , gab der Kobold zu. » Es sei denn, man hätte jemals etwas von Gedankenübertragung gehört. Aber das dürfte in deinem Fall ziemlich unwahrscheinlich sein. «
» Gedankenübertragung? « Granock kam sich vor wie ein Idiot. Das kam dabei heraus, wenn man einem Elfen vertraute: Man fand sich splitternackt in einer Kerkerzelle aus Eis wieder und unterhielt sich mit einem Wichtelmännchen, das noch nicht einmal den Mund aufmachen musste, um sich verständlich zu machen …
» Das mit dem Wichtelmännchen habe ich gehört – und ich nehme es persönlich! «
» Du kannst
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